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Dienstag, 29. Oktober 2024 

Seite 11

Nora Gomringer. Foto: Judith Kinitz 

 

 

„Frauen, die andere Frauen sehen“

Ein Abend des Empowerments: Die Lyrikerin Nora Gomringer erhält in Heidelberg den Ida-Dehmel-Literaturpreis

Von Julia Blank

Wo im Oktober 1835 Frédéric Chopin am eigens aus Frankreich importierten Flügel im Heidelberger Palais Morass Salonmusik spielte, interpretierte am Samstagabend ein Frauentrio um Cembalistin Brigitta Becker klassische und moderne Stücke. Wo im Herbst 1815 noch Goethe mit den Brüdern Boisserée im klassizistischen Festsaal des Palais tafelte, stand nun Nora Gomringer an gleicher Stelle, im heutigen Kurpfälzischen Museum, und trug ihre Lyrik vor. Und wo sich vor 200 Jahren weitestgehend Männer aufhielten, saßen jetzt rund 100 Frauen der Gedok, um Gomringer zum Erhalt des diesjährigen Ida-Dehmel-Literaturpreises zu beglückwünschen.

„Eigentlich bedeutet ein Preis, sich in eine Reihe ordnen zu dürfen, die andere aufgestellt haben. Und ich bin unglaublich stolz, in dieser Reihe stehen zu dürfen. Die Gedok leistet unglaublich Wichtiges: Es sind Frauen, die andere Frauen sehen und sie hochhalten“, dankte Gomringer nach Erhalt der Auszeichnung. Die 44-Jährige betonte, wie selten es sei, dass solche Frauennetzwerke mehrere Generationen überstehen und sie hoffe, dass „Brüder, Männer und Söhne es euch in Zukunft nachmachen, ihre Frauen genauso unterstützen“. Es war ein Abend des Empowerments, der gegenseitigen Unterstützung und Wertschätzung.

Den diesjährigen Ida-Dehmel-Literaturpreis erhielt Gomringer für ihr Gesamtwerk. Neben zahlreichen Lyrikbänden veröffentlicht die Autorin auch Kolumnen und Essays, sie hat für Radio und Zeitung geschrieben, verschiedene Talks moderiert und an Film- und Hörspielprojekten gearbeitet. Im vergangenen Jahr war sie Poetikdozentin der Heidelberger Universität. Auch für die Jury des Literaturpreises lag das Augenmerk auf der Lyrik der Wahl-Bambergerin: „Nora Gomringer hat einen ganz eigenen Sound, den sie konsequent über Jahre entwickelt und verfeinert hat. Sie schreibt originell und wendet sich entschlossen auch unkonventionellen Themen zu. Pointiert, witzig und zugleich mit großer Achtsamkeit und stilistischer Vielfalt verleiht sie ihren Gedanken die jeweils angemessene Form.“ In seiner Laudatio betonte Literaturwissenschaftler Michael Grisko scherzhaft Gomringers kreative Ideenfindung: „Sie scheut keine außerliterarische Inspiration. Sogar die ,Apotheken Umschau‘ wird fasziniert gelesen.“

Bei einer kurzen Lesung wurde der Stellenwert der Rhetorik in Gomringers Lyrik klar. Mit viel Esprit und Pointierung trug sie sechs Gedichte vor, darunter „Ach-Ach-Maschine“– ein Gedicht zum Nach- und Überleben der Automatin Olimpia im „Sandmann“: „(…) und wenn ich Interessenten zu ihr führe, / halte ich eine Münze bereit (für das Schlitzohr), / lasse sie selbst ihre unglaubliche Geschichte erzählen. / Doch eigentlich sagt sie fast immer nur „Ach, ach“, / und das lässt Raum für Interpretation.“

Sowohl die Rednerinnen der Gedok als auch die Preisträgerin selbst sagten an diesem Abend sehr viel mehr als nur „Ach ach“– und setzten damit einen wichtigen literarischen Meilenstein in dem geschichtsträchtigen Saal des Kurpfälzischen Museums.

 

HINTERGRUND

> Die Gedok, 1926 als „Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen“ gegründet, ist bis heute das älteste und mit fast 3000 Mitgliedern das europaweit größte Netzwerk für weibliche Kunstschaffende aller Kunstgattungen. Alle drei Jahre verleiht eine fünfköpfige Jury den mit 10 000 Euro dotierten Ida-Dehmel-Literaturpreis. Die Preisträgerinnen werden von den Regionalgruppen vorgeschlagen. Neben dem Literaturpreis wird dreijährig auch der Gedok-Förderpreis vergeben. Dieser ging 2024 an die Autorin Marina Jenkner.

Info: www.gedok.de


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Mittwoch, 23. Oktober 2024 

 

Seite 11

 

Ein Windhauch könnte sie forttragen: Ursula Böhlers Papier-Köpfe. Foto: MR 

Aus Papiertüten geformt

Ursula Böhler und Ulrike Widmann zeigen neue Arbeiten in der Gedok-Galerie Heidelberg 

Von Matthias Roth

Sie kommt von der Bildhauerei und arbeitete in den letzten Jahren eher abstrakt, etwa von der Architektur beeinflusst und bevorzugt in Eisen oder Stein. Doch nun widmet sie sich zwei völlig neuen künstlerischen Gegenständen: dem Papier und dem Porträt. Wie kam das?

Die Idee mit dem Papier habe Ursula Böhler ohne weitere Veranlassung und ohne direkte Vorbilder während der Corona-Zeit entwickelt: Sie bemerkte, dass sich Papiertüten, wie man sie zum Beispiel beim Bäcker erhält, formen und gestalten lassen. Durch Knüllen und Falten verändern sie sich plastisch, mit Tusche oder Acryl akzentuiert sie die Künstlerin zeichnerisch oder flächig. Wie von selbst formten sich so Köpfe, und aus den Alltagstüten, die in der Regel im Mülleimer landen oder für andere Zwecke als flüchtiges Behältnis dienen, entstanden Kunstwerke. Sie sind nun in der Heidelberger Gedok-Galerie zu sehen. 

„Das Schöne und das Sehen waren in meiner Familie immer wichtig“, sagt die Künstlerin. Ihr Großvater war Blumenzüchter, die Oma Blumenbinder-Meisterin. In Pforzheim aufgewachsen, studierte sie bei dem österreichischen Bildhauer, Grafiker und Maler Rudolf Hoflehner in Stuttgart. Später arbeitete sie als Kunsttherapeutin und befasste sich künstlerisch hauptsächlich mit Metall und Stein. 

Papier als fragiles Material spielte bisher in ihrem Œuvre kaum eine Rolle, obwohl Zeichnung und Malerei auch Teil ihrer Ausbildung waren. Nun aber sah sie Köpfe in zerknüllten Tüten, die es nur noch galt, mit Tinte oder Farbe hervorzuheben. Die Physiognomien, die so entstanden, sind charaktervoll, aber es sind keine Porträts, auch wenn Ähnlichkeiten mit Persönlichkeiten beim ein- oder anderen Objekt nicht zu leugnen sind. Zumal die Köpfe Titel tragen wie „Kassandra“, „Ikarus“, „Pharao“ oder „Dirigent“ – hinter Letzterem vermutet die Künstlerin ganz konkret Daniel Barenboim. Einige dieser Köpfe zeigen Öffnungen als Augen oder Ohren, die eine Kommunikation von Innen- und Außenraum ermöglichen. 

Um den Plastiken eine gewisse Festigkeit zu geben, wurden sie mit Kunstharzlack besprüht: Verletzlich scheinen sie dennoch, und ein Windhauch könnte sie forttragen. „Vergängliche Erscheinungen (Sur) Faces“ heißt denn auch die Ausstellung, zu der die Fotografin Ulrike Widmann abstrakte Bilder von Wasseroberflächen sowie ein Video mit der eigens komponierten Musik von Katerina Pinosova-Ruzickova beitrug. 

Info: Gedok-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 2. November. Geöffnet Do.+Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11-14 Uhr oder nach Vereinbarung:

www.gedok-heidelberg.de

 

Stimmen, Sätze, Emotionen


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Donnerstag, 29. August 2024

Mensch und Natur in verschiedenen Facetten

 

Sommerserie Museumsfundstücke: Noch bis zum 31. August sind in der Gedok-Galerie die Werke von sechs Künstlerinnen zu sehen

 

RNZ. Welche besonderen Stücke sind in den Heidelberger Museen zu sehen? In einer Serie stellt die RNZ in diesem Sommer wieder Kunstwerke und Exponate vor. Heute geht es um die Ausstellung „Print“ in der Galerie Gedok, die noch bis Samstag, 31. August, zu sehen ist. Darin zeigen die Künstlerinnen Esther Bach, Christel Fahrig-Holm, Nancy Hespeler, Hildegard Illies, Beate Meffert-Schmengler und Annette Wöhrl ihre Arbeiten. Es handelt sich um klassische Drucktechniken, Holzschnitt, Linolschnitt, Radierung, aber auch Mischtechniken und neuartigen Gelatinedruck. Die Themen sind breit gefächert und zeigen neben Darstellungen des Menschen und der Natur auch Spezifisches. 

* * *

> Die „Gondeln“ von Christel Fahrig-Holm, in klassischem Schwarz-Weiß gehalten, transportieren Vorstellungen von Schwermut, Geheimnisvollem, aber auch von Zeichenhaftigkeit, hervorgerufen durch die charakteristische Form des eisernen Bugbeschlags.

> „Ropa“ (Spanisch: Kleidung) nennt Hildegard Illies ihre in experimenteller Farbradierung gearbeitete Serie. Durch nicht vorhersehbare Farbverläufe wird jedes Bild zum Unikat. 

> Der Mensch steht im Mittelpunkt von Beate Meffert-Schmenglers und Annette Wöhrls Arbeiten. Bei Meffert-Schmengler sind es starke emotionale Ausdrucksformen wie Aggressivität, Kraft und Trauer, die im Holzschnitt als adäquates Mittel für starke Kontraste gezeigt werden. Anders Annette Wöhrl: In ihren Holz- und Linolschnitten, die sich auf nur einen Farbkreis beschränken, will sie ein „Sich-Treiben-Lassen“ veranschaulichen und diesen Zustand unter dem Titel „mind wandering-wandering mind“ als Privileg in einer hektischen Zeit würdigen.

> Den Holz-und Linolschnitt wählt auch Nancy Hespeler für die Verwirklichung ihrer Vorstellungen von Natur. Ihr in den Farben Blau und Weiß gehaltenes Kunstwerk zeigt Erinnerungen an bestimmte Landschaftsorte, die sie in ihrer emotionalen Wirkung abbildet. 

> Mit dem neuartigen Gelatinedruckverfahren experimentiert Esther Bach, wobei jeder Druck durch diese spezielle Technik zum nicht wiederholbaren Unikat wird. Die Natur in ihren jahreszeitlichen Veränderungen ist das Thema der Gedok-Künstlerin Bach.

 

 

Info: Gedok-Galerie, Römerstraße 22 (Straßenbahnhaltestelle Römerkreis Süd), Donnerstag und Freitag, 16 bis 19 Uhr, Samstag 11 bis 14 Uhr sowie nach Vereinbarung


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Donnerstag, 18. Juli 2024

  

Insgesamt 50 Arbeiten von Raingard Tausch sind derzeit bei Tiefenbacher in Heidelberg-Rohrbach zu sehen. Foto: Roth 

Kaffee ist ihre Geheimzutat

Raingard Tausch erhält den Willibald-Kramm-Preis Heidelberg 2024 – Inspirieren lässt sich die Künstlerin von archaischen Kulturen

Von Matthias Roth

„Das ist Kaffee“, sagt Raingard Tausch und deutet auf ihr Bild Nummer 7 mit dem Titel „Vorzeitzeichen IV, 2017“. Es ist eine recht große Collage auf Plexiglas. Die Künstlerin lacht. Wir fragen sie, woher sie diese erdigen Farbtöne nimmt, die diese und andere Arbeiten charakterisieren. „Kaffee?“, fragen wir nun zurück. „Ja“, bestätigt sie, „der ergibt einen schönen und sehr differenzierten Naturton.“ Tatsächlich weckt das Kaffeebraun, mit dem das Seidenpapier getränkt wurde, als sehr unterschiedlich schattierter Hintergrund der schwarzen Tusche-Zeichnungen sofort Assoziationen an Höhlenmalerei, an erdige Substanzen und von Fackeln beleuchtete Felswände.

„Ich rühre ihn speziell zum Färben der Blätter an. Verschiedene Sorten ergeben dicker oder verdünnt ganz andere Nuancen“, erläutert Raingard Tausch. Ihr wurde der diesjährige, mit 2500 Euro dotierte Heidelberger Willibald-Kramm-Preis zuerkannt. Im wunderschön von Tageslicht durchleuchteten Bürohaus der Tiefenbacher Rechtsanwälte in Heidelberg-Rohrbach stellt die Preisträgerin insgesamt 50 Arbeiten aus, verteilt auf drei Stockwerke. Es sind Werke aus den vergangenen 20 Jahren, die meisten sind aber jüngeren Datums.

Raingard Tausch, Jahrgang 1949, war bereits als Übersetzerin tätig, bis sie ab 1985 ihre künstlerische Ambition bei Karl-Peter Müller in den Akademischen Werkstätten Maximiliansau ausbilden ließ. Wöchentlich besuchte sie den Künstler nahe der französischen Grenze, der sie neben der Kunst fremder Kulturen, die sie auf Reisen kennenlernte, am meisten beeinflusste. Neben Joseph Beuys vielleicht, wie sie später zugibt. Ihre Zeichnungen haben diesen archaischen Duktus, immer wieder fallen afrikanische, asiatische oder australische Motive in ihren Bildern auf. Ein weiterer Künstler, der stark auf sie gewirkt habe, sei William Kentridge aus Südafrika, erwähnt sie beinahe beiläufig im Rahmen des gemeinsamen Rundgangs durch ihre jetzige Ausstellung. 

„Zeit-Zeichen“ nennt sie ihre Schau, und ihr Farbspektrum, das zu Beginn eher eingeschränkt scheint, weitet sich im Laufe der Hängung wie ihre Motivik. Da tritt eine „Blaugrüne Welt“ auf, eine collagierte Landschaft in zarten Pastellfarben, oder eine „Hommage à Mme St.“ verwendet das Zeichnen auf Zeitungsrändern, das eine Künstlerin der Prinzhorn-Sammlung praktizierte. Eine weitere Landschaft („Winter in Hakone II“) ist ästhetisch der klassischen japanischen Tusche-Malerei nachempfunden, benutzt aber auch Druck und Collage zur Darstellung: Der hohe Felsen erhält seine Form durch einen Papier-Ausriss, wie erst bei näherem Hinsehen deutlich wird. Figuren von Menschen oder Tieren tauchen in diesen oft schemenhaften Bildern eher als Chiffren auf denn als „Bevölkerung“ einer idyllischen Campagna. Eine andere Collage von 2017 thematisiert die „Flucht“. 

Neben Kaffee benutzt die Künstlerin Mist Acryl, verschieden gefärbte Papiere fixiert sie mit Acrylbinder direkt auf Plexiglasscheiben, der glatten Oberfläche wegen. „Pappe würde sich später wellen“, erklärt Raingard Tausch, die ihr Atelier in der Dossenheimer Landstraße hat. Dort begann sie auch, sich mit Draht zu beschäftigen: „Meine Mutter gab Webkurse, aber ich wollte mich nie mit Wolle befassen. Also nahm ich dünnen Draht.“ Es entstanden mehrere Objekte, von denen einige nun in Rohrbach zu sehen sind. „Weben oder häkeln mit Draht ist allerdings sehr mühsam“, gesteht sie. Und zeitaufwendig: Weshalb sie sich von diesen Arbeiten nur schweren Herzens trennt. Daher ging Tausch dazu über, diese Objekte und ihre Schattenwirkung zu zeichnen. Auch diese Arbeiten sind nun in Rohrbach-Süd zu sehen.

 

Info: Willibald-Kramm-Preis 2024: Raingard Tausch bei Tiefenbacher, Im Breitspiel 6 in Heidelberg, bis 10. Oktober. Geöffnet zur Bürozeit. 


 

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Samstag, 29. Juni 2024

  

Wie viele Frauendenkmäler gibt es?

Künstlerin Frauke Beeck zählt nach – Ihre Dokumentation und Adaption ist in der Heidelberger GEDOK-Galerie zu sehen

Von Matthias Roth

Es gibt rund 300 Frauendenkmäler in Deutschland, denen allein circa 800 Bismarck-Statuen gegenüberstehen. Wie fast überall in der Gesellschaft, so ist die Quote auch im Bereich der öffentlichen Erinnerungsorte, die sich auf Frauen beziehen, gering. Die Künstlerin Frauke Beeck aus Berlin hat sich daher aufgemacht, solche Denkmale aufzuspüren und künstlerisch zu dokumentieren. Derzeit stellt sie ihr Work in progress in der Heidelberger GEDOK-Galerie vor. 

„Ein Frauendenkmal ist nicht genug!“ heißt die Ausstellung, die drei großformatige und mehrere kleinere Adaptionen auf Papier in DIN-A4-Größe zeigt. Das Besondere: Frauke Beeck fertigt ihre Bilder mit Neon-Spray in knalligen Farben. Dabei geht ihrer Arbeit eine umfangreiche Recherche voraus. Denn nicht alle Frauen-Denkmale sind prominent auf großen Plätzen in den Innenstädten aufgestellt. 

Oft genug muss die Künstlerin sich in Hinterhöfe oder in Schulen begeben. Die öffentlichen Räume sind nicht selten sehr beengt, die Büsten, Statuen oder Reliefs sind häufig auf dem Boden oder an Wänden befestigt, im Gegensatz zu den Herren, die weit sichtbar auf hohen Sockeln stehen. Beeck sucht die Denkmäler auf, fotografiert und zeichnet sie – ihre Skizzenbücher haben einen ganz eigenen Reiz und beziehen die Umgebung mit ein. „Die tatsächliche Begegnung mit dem Objekt ist mir sehr wichtig“, sagt die Künstlerin. Diese wird genauso Teil ihrer stetig wachsenden Dokumentation wie die historischen Umstände der Geehrten. In einem zweiten Arbeitsgang setzt sich Beeck mit der künstlerischen Darstellung auseinander, die stark variieren kann. Die grellen Farben sollen dabei eine Brücke schlagen zwischen der Vergangenheit und einem jüngeren Publikum. 

Die inzwischen über 100 Spraybilder sind nach Bundesländern geordnet. In Baden-Württemberg hat Beeck bisher knapp 40 Denkmäler für Frauen ausfindig gemacht, in Heidelberg gerade mal eines: Sophie Scholl in der Scholl-Schule. Mehrere Denkmäler gibt es für Bertha Benz, unter anderem in Wiesloch. Andere Skulpturen sind Kaiserin Augusta und Clara Schumann (Baden-Baden), Annette von Droste-Hülshoff (Meersburg), Pauline Maier aus Baiertal, die als Krankenschwester freiwillig mit ihren jüdischen Patienten ins Lager Gurs ging, oder Charlotte Zimmer, der Pflegerin von Hölderlin in Tübingen, gewidmet. 

Das Vorhaben von Beeck, die in Hannover und Edinburgh studierte und rund 20 Jahre mit einem Austauschprojekt in China verbrachte, ist lange nicht abgeschlossen. Viele Objekte sind versteckt, einige scheinen fast vergessen zu sein – genauso wie die Frauen. Für sachdienliche Hinweise (E-Mail: art@frauke-beeck.de) ist die Künstlerin dankbar.

Info: GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, geöffnet Do u. Fr 16-19, Sa 11-14 Uhr und nach Vereinbarung unter: info@gedok-heidelberg.de.

 

 

Diese Spray-Arbeit von Frauke Beeck erinnert an Bertha Benz. Foto: Matthias Roth 


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Samstag, 1. Juni 2024 

 

An diesem Abend dreht sich alles um Kafka

Lesung mit Musik und Lichtinstallation in der Galerie Gedok – Tierische Texte im Mittelpunkt

Von Philipp Neumayr

 

Als Christel Fahrig-Holm im jugendlichen Alter die ersten Seiten von Franz Kafkas „Die Verwandlung“ las, konnte sie zunächst wenig damit anfangen. „Ich dachte: Was ist das denn? Das kann ich doch nicht lesen.“ Doch je weiter sie kam, Satz um Satz, Seite um Seite, desto mehr fesselte sie die Erzählung. Seitdem begleiteten der Autor und sein Werk die frühere Deutschlehrerin beruflich wie privat. „Kafka schlägt mich immer wieder in den Bann.“

Um dem großen Literaten, dessen Todestag sich am 3. Juni zum 100. Mal jährt, zu huldigen, hat Fahrig-Holm gemeinsam mit Dorothea Paschen und weiteren Kolleginnen der Galerie GEDOK einen eigenen „Kafka-Abend“ auf die Beine gestellt. In dem gemütlichen Raum in der Römerstraße widmen sie sich am kommenden Mittwoch drei Stunden lang ausgewählten Werken des Autors. Paschen, Ehrenvorsitzende der GEDOK Heidelberg und für die Dramaturgie des Abends verantwortlich, wird gemeinsam mit der früheren Schauspielerin Helga Karola Wolf und Wolfgang Graczol, Leiter des Taeter Theaters, vier Kafka-Texte rezitieren. Eine Einführung kommt jeweils von Christel Fahrig-Holm. „Wir wollen Kafka selbst zu Wort kommen lassen, statt nur über ihn zu sprechen“, erklärt Paschen.

Den Auftakt macht Kafkas berühmter „Brief an den Vater“. Anschließend stehen dann Kafka und die Tiere im Mittelpunkt: Das kurze Prosastück „Eine Kreuzung“ handelt von einem ganz eigentümlichen Tier, einer Kreuzung aus Lamm und Katze. In der Erzählung „Ein Hungerkünstler“ taucht plötzlich ein Panther auf. Um eine verzweifelte Maus, die am Ende von einer Katze gefressen wird, dreht sich Kafkas „Kleine Fabel“. Und dann ist da natürlich noch die tierische Erzählung, die den Allermeisten aus dem Deutschunterricht bestens bekannt sein dürfte – und deren Anfangssatz bis heute einen der berühmtesten ersten Sätze der Weltliteratur bildet: „Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt.“ 

Der ungeheure, abscheuliche Käfer und die vielen anderen Tiere, die in Kafkas Werk vorkommen, stünden für eine Art Fremdsein in der Welt, sagt Fahrig-Holm. „Und dieses Fremdsein empfinden alle Menschen irgendwann einmal in ihrem Leben.“ Kafkas Literatur sei oft „grotesk“, „crazy“, „verrückt“, wie Paschen sagt. Er sei ein Autor, der andere Wege gesucht habe. Und genau deswegen könnten sich auch hundert Jahre nach seinem Tod so viele junge Menschen gut mit dem Prager Autor identifizieren. „Kafka trifft immer wieder einen Nerv bei der Jugend“, sagt Fahrig-Holm. In den sozialen Medien werde er heute gefeiert wie ein Popstar. 130 Millionen Aufrufe für den Hashtag „#kafka“ sprächen für sich. 

Kafka eignet sich aber nicht nur für die Jugend, sondern für jede Lebensphase, finden die GEDOK-Künstlerinnen. Immer noch schmökern sie gerne in seinen Texten. Wenn sie Kafkas Literatur lese, dann fühle sie sich dem Autor „einfach nahe“, sagt Paschen. „Mir ist er ganz ähnlich: Ich bin auch nicht frei von Ängsten, von Unsicherheiten.“ Kafka sei ein „echter Klassiker“, den sie immer wieder neu lese, sagt Fahrig-Holm. Sie mag das Lustige an seinen Texten, die anziehende Figurenwelt und auch seine letzten Sätze, die oft eine ganze Welt voller Interpretationsmöglichkeiten offenließen. „Es war, als sollte die Scham ihn überleben“, zitiert sie beispielhaft den Schlusssatz des großen Romanfragments „Der Prozess“. „Da“, sagt Fahrig-Holm, „fängt das Denken ja erst an.“ Und das sei es, was junge wie alte Leser immer wieder elektrisiere.

Unter Strom steht die GEDOK Galerie beim großen „Kafka-Abend“ nicht nur wegen der Worte Kafkas: Der Heidelberger Architekt Nils Herbstrieth wird den von außen eingehüllten Raum innen mit einer Lichtinstallation in eine kafkaeske Szenerie verwandeln. Brigitte Becker (Klavier) und Heike Süßdorf (Violine) sorgen zudem für musikalische Untermalung: Sie spielen Csárdás-Musik aus der Zeit Kafkas. 

Während der zwei Pausen können die Gäste im Galerie-Inneren auch Kafka-Radierungen begutachten, die Christel Fahrig-Holm Anfang der Neunzigerjahre selbst angefertigt hat. Die Sorge, keinen Zutritt zu erhalten – so wie es einem „Mann vom Lande“ in Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz“ ergeht –, muss niemand haben: Der Eintritt ist an diesem Abend frei.

Info: „Kafka-Abend“, Lesung in drei Teilen mit Musik und Lichtinstallation, Mittwoch, 5. Juni, 19 bis 22 Uhr, Gedok Galerie, Römerstraße 22. 

Ein Herz für Kafka: Brigitte Becker, Helga Karola Wolf, Wolfgang Graczol, Dorothea Paschen und Christel Fahrig-Holm haben sich in den letzten Tagen und Wochen noch einmal intensiv mit dem Werk Kafkas beschäftigt. Foto: pne
Ein Herz für Kafka: Brigitte Becker, Helga Karola Wolf, Wolfgang Graczol, Dorothea Paschen und Christel Fahrig-Holm haben sich in den letzten Tagen und Wochen noch einmal intensiv mit dem Werk Kafkas beschäftigt. Foto: pne

1. Foto Nora Gomringer: ©Judith Kinitz, 2. Foto Marina Jenkner: ©Christoph Müller

Literaturpreise der GEDOK 2024 für Nora Gomringer und Marina Jenkner

 

Die GEDOK Literaturpreise Seit 1968 bzw. 1971 würdigt die GEDOK literarische Spitzenleistungen von Frauen im deutschen Sprachraum. Der Ida Dehmel Literaturpreis wird für das Hauptwerk einer Schriftstellerin vergeben und ist aktuell mit 10.000 Euro dotiert. Der mit 5.000 Euro dotierte GEDOK Literaturförderpreis wird einer überregional noch nicht bekannten Autorin verliehen – für die großzügige Unterstützung des Ida Dehmel Literaturpreises danken wir dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ). Beide Preise werden alle drei Jahre verliehen. Erste Trägerin des Ida Dehmel-Literaturpreises war 1968 Hilde Domin. Die Namen aller bisherigen Preisträgerinnen finden Sie unter https://gedok.de/

 

Die Preisverleihung findet am Samstag, den 26. Oktober, um 18.00 Uhr im Festsaal des Kurpfälzischen Museums, Hauptstraße 97, 69117 Heidelberg, statt.

PRESSEMITTEILUNG 7. Mai 2024

 

Mit dem Ida Dehmel Literaturpreis 2024 der GEDOK wird die Lyrikerin Nora Gomringer (Bamberg) ausgezeichnet. Er ist mit 10.000 Euro dotiert. Den auf 5.000 Euro dotierten GEDOK Literaturförderpreis 2024 erhält die Autorin Marina Jenkner (Wuppertal). Die beiden GEDOK Literaturpreise werden seit 2007 durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert. 

 

Hauptpreis für Nora Gomringer

 

Die fünfköpfige Jury sprach den Hauptpreis der in Bamberg lebenden vielfach preisgekrönten Dichterin und Performerin Nora Gomringer zu. In der Begründung heißt es: Nora Gomringer hat einen ganz eigenen Sound, den sie konsequent über Jahre entwickelt und verfeinert hat. Sie schreibt originell und wendet sich entschlossen auch unkonventionellen Themen zu. Pointiert, witzig und zugleich mit großer Achtsamkeit und stilistischer Vielfalt verleiht sie ihren Gedanken die jeweils angemessene Form.

Nora Gomringer wurde 1980 in Neunkirchen/Saar geboren. Sie ist von Geburt Schweizerin und Deutsche und lebt in Bamberg. Dort leitet sie seit 2010 das Künstlerhaus des Freistaats Bayern. Besonders nennenswert sind folgende Auszeichnungen: 2011 Jakob-Grimm-Preis Deutsche Sprache, 2012 Joachim-Ringelnatz-Preis, 2015 Ingeborg-Bachmann-Preis, 2019 Max-Kade-Professur in Oberlin, Ohio, 2021 die Carl-Zuckmayer-Medaille, 2022 Else-Lasker-Schüler-Lyrikpreis, 2023 Berganza-Preis des Kunstvereins Bamberg und die Poetikdozentur der Universität Heidelberg. Sie ist Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz.

In ihrer Dichtung spannt sie den Bogen zwischen klassischem Altertum und Postmoderne, scheut weder Pathos noch Pop, widmet sich dem Gedenken an Heinrich Heine, Dorothy Parker und Annette von Droste-Hülshoff. Experimentelle und projektbezogene Zusammenarbeiten verbinden sie mit Jazzmusikern wie Philipp Scholz, Günter "Baby" Sommer, Grafikern (2x Goldstein, Reimar Limmer, Zara Teller), Fotografen (Andreas Herzau u. a.) und Filmemachern (z. B. Cindy Schmid, Judith Kinitz, Philipp Seefeldt). Die Lyrik als ständigen Austausch zu begreifen, liegt in Gomringers künstlerischem Selbstverständnis begründet. So hält sie mit vielen ihrer Übersetzerinnen und Übersetzern engen Kontakt und  konnte zuletzt die Übersetzung ihrer Gedichte ins Norwegische durch den Dichter Arild Vange begrüßen.

Ihre letzten Lyrikbände beschäftigten sich mit dem weitgespannten Feld von Monstern und Krankheiten, aber auch Phänomenen der Mode sowie dem religiösen Glauben und der Erfahrung von Trauer.

Mit Dr. Jörg Albrecht moderiert sie aktuell den ARD Podcast „100 aus 100 – die Hörspielcollection“ (Redaktion: Katarina Agathos/Jakob Roth). Die Autorin arbeitet fächerübergreifend als Künstlerin, gestaltet Themen- und Bühnenräume und -programme. Auf verschiedenen Social-Media-Kanälen begegnet man Nora Gomringers vielen Hüten. Sie trägt sie mit Selbstironie, Neugierde und großer Aufgeschlossenheit für ihre Zeitgenossen.

https://nora-gomringer.de/

 

Förderpreis für Marina Jenkner

 

Das Thema des Literaturförderpreises der GEDOK 2024 war »Frauenleben.frei«. Marina Jenkner hat sich mit einem eigens für den Wettbewerb geschriebenen Text intensiv und gekonnt damit auseinandergesetzt. In ihrer für den Förderpreis eingereichten Erzählung »Nachthimmelweit« geht es um drei Frauen, die in einer Nacht jeweils in unterschiedlichen Situationen und an unterschiedlichen Orten Wege finden, sich selbst aus inneren und äußeren Zwängen zu befreien. Die erste Protagonistin erlebt eine traumatische Geburt, die zweite bricht in die alte Heimat Syrien auf, um ihrem sterbenden Vater beizustehen, die dritte wird in einer alltäglichen Situation auf ein Missbrauchstrauma zurückgeworfen. Allen dreien gelingt es, sich von Erwartungen – eigenen und fremden – zu lösen und ihren individuellen Weg zu gehen, sie befreien sich aus ihrer passiven Haltung und der Opferrolle. Die Handlungsstränge werden durch motivische und sprachliche Übergänge und Verknüpfungen kunstvoll miteinander verschränkt. Damit hat die Autorin das gestellte Thema aus Sicht der Jury hervorragend bearbeitet.

Die 1980 in Detmold geborene Marina Jenkner studierte Germanistik, Kunst- und Designwissenschaften sowie Architektur und lebt als freiberufliche Schriftstellerin, Lektorin und Werbetexterin in Wuppertal. Regelmäßig wendet sie sich in ihrem Schaffen Menschen zu, die aus der gesellschaftlichen Norm fallen, und scheut dabei auch Tabuthemen nicht. Nach ihrem Debüt »WUPPERlyrik« (2006) veröffentlichte sie im Münchner Verlag Frauenoffensive einen Kurzgeschichtenband über Essstörungen (»Nimmersatt und Hungermatt«, 2007). 2019 erschien ihr Flüchtlingsroman »Die UnWillkommenen« im Frankfurter Größenwahn Verlag. 2022 folgte mit der Romanversion ihres Langspielfilms »Blaue Ufer« eine Geschichte über die Folgen von Missbrauch. In ihrem letzten Roman »Die Geschichtenlauscherin« (2023) behandelt sie unter anderem die Themen Psychische Erkrankungen und Demenz.

Ihre Literatur bringt Marina Jenkner dem Publikum gerne in kreativen Lesungsperformances näher, ferner gibt sie Schreibworkshops an Schulen. Seit 2015 betreibt sie den Kulturort »Die arme Poetin« in Wuppertal-Vohwinkel und tritt als »Die arme Poetin« in gleichnamigen Bühnenprogrammen auf. Marina Jenkner ist Mitglied der GEDOK Wuppertal sowie Regionalsprecherin im Verband deutscher Schriftsteller*innen (VS) Bergisches Land. 

http://www.marina-jenkner.de

 


Wer ihr Spiel hört, ist verzaubert. Die Cellistin Alexandra Netzold ist Wahl-Heidelbergerin und gibt Konzerte in ganz Europa. Foto: privat
Wer ihr Spiel hört, ist verzaubert. Die Cellistin Alexandra Netzold ist Wahl-Heidelbergerin und gibt Konzerte in ganz Europa. Foto: privat

 ©Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | Altstadt | Freitag, 8. März 2024

Von Marion Gottlob

 


,,Das Cello war meine erste große Liebe" 

Die Musikerin Alexandra Netzold hat sich mit elf Jahren in ihr Cello „verliebt" - Der große Cellist Mstislaw Rostropowitsch hat sie geprägt 

„Die Musik ist mein Leben", sagt Alexandra Netzold. Für dieses musikalische Leben hat sich die elegante Erscheinung das Violoncello ausgewählt. Wer ihr Spiel hört, ist verzaubert. Mit ihrer Musik lässt Alexandra Netzold eine ganz eigene Welt entstehen. „Ich kann mit meinem Cello etwas erzählen", sagt sie und lächelt. Aber: „dafür brauche ich mein Publikum." Konzertreisen führten die Cellistin schon in die meisten deutsche Großstädte und durch viele Länder in Europa. Im kommenden Frühjahr wird sie ihr erstes Konzert in Paris geben. Zuvor kommt im November ihre neue CD mit Werken von Robert Schumann und Johannes Brahms heraus.

Eigentlich ist Alexandra Netzold nur durch einen Zufall zum Cello gekommen. Ihr Vater Alfred spielt gerne Geige. So schenkte ihm die Familie zu Weihnachten ein Cello. „Wer Geige spielt, der mag auch Cello" dachten die zehnjährige Alexandra, ihr Bruder und ihre Mutter damals. Der Vater winkte ab: „Nee, so geht das nicht." Einige Wochen lang stand das Instrument unbeachtet in der Ecke, bis der Vater Alexandra fragte: „Willst du das Cello spielen?" Das Mädchen zupfte an ein paar Saiten - und da war es um sie geschehen: „Das Cello war meine erste große Liebe." Nach wenigen Unterrichtsstunden besuchte Alexandra ein Sinfoniekonzert mit der Cellistin Maria Kliegel. Sie war überwältigt: „Bei dieser Frau da oben auf der Bühne möchte ich später studieren." Und sie übte und übte. Die Eltern unterstützten ihre Neigung. Sie schenkten Alexandra eine Box mit Schallplatten, auf denen der russische Musiker Mstislaw Rostropowitsch die großen Cellowerke eingespielt hatte. Wieder und wieder hörte Alexandra seine Interpretationen. Noch wusste sie nicht, dass sie später einmal mit dem weltberühmten Cellisten musizieren würde. „Er hat mich geprägt", sagt sie dazu. Mit elf Jahren stand Alexandra das erste Mal als Solistin mit einem Jugend­Orchester vor Publikum. „Ich wollte nur noch Musikerin werden", erzählt sie. Alles andere war unwichtig, die Schule und das Abitur erledigte sie „quasi nebenher." Schon mit 15 Jahren gewann sie den Tonkünstler-Wettbewerb von Baden­ Württemberg. Insgesamt hat sie elf Wett­ bewerbe für sich entschieden, darunter den internationalen Wettbewerb „Charles Hennen Concours" in den Nie­ derlanden. „Das war ein phantastisches Gefühl." Nach dem Abitur erhielt Alexandra Netzold von drei Musik-Hochschulen eine Zusage. Sie entschied sich für Köln und für die Dozentin Maria Kliegel - so, wie sie es sich als zehnjähriges Mädchen vorgenommen hatte. In Köln erhielt sie mehr als eine exzellente musikalische Ausbildung. Sie spielte mit der Lehrerin Rundfunkaufnahmen ein und unterrichtete als Assistentin jüngere Studenten. “Es waren fünf perfekte Jahre." Dann folgte ein Aufbaustudium an der Mannheimer Musikhochschule bei dem amerikanischen Cellisten Michael Flaksmann. „Er ließ mir viel Freiheit. So konnte ich mein inneres Feuer entfachen." Die Künstlerin spielt heute ein Violon­ cello von Hannibal Fagnola (Torino 1910), das ihr eine Heidelberger Familie als Mäzen zur Verfügung stellt. Ihre Konzertreisen führten Alexandra Netzold unter anderem nach Italien, Großbritannien, Österreich, Spanien, Schweden, Holland, Ungarn und in die Schweiz. Seit 2000 ist sie die künstlerische Leiterin für die Meisterkurs-Reihe in dem Schloss Kleinniedesheim (bei Worms). In den nächsten Jahren wird Alexandra Netzold für „animato" die Cello­-Literatur exklusiv auf CD einspielen. Und sie gibt an der freien Musikschule in Heidelberg Unterricht. Bleibt da noch freie Zeit? Aber sicher. Mit ihrem Mann Elmar Hoffmann wohnt Alexandra Netzold in der Altstadt. Die Wahl-Heidelbergerin ist von der Stadt begeistert. In ihrer Freizeit besucht sie gerne die Jazzkonzerte oder geht tanzen. Dafür muss einfach Zeit sein.

Info: Mehr Informationen gibt es im In­ternet unter www.netzold.com

 


Marlene Bach ist promovierte Psychologin und Schriftstellerin. Nun hat sie sich zu neuen literarischen Ufern aufgemacht. Foto: privat
Marlene Bach ist promovierte Psychologin und Schriftstellerin. Nun hat sie sich zu neuen literarischen Ufern aufgemacht. Foto: privat

 ©Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | HEIDELBERG | 5 | Mittwoch, 3. April 2024

 

Turbulenzen in der Provinz

Autorin Marlene Bach legt ihren neuen Roman „So weit das Land, so frei das Herz“ vor – Die Handlung beginnt in Heidelberg

Von Ingeborg Salomon

Maria Mooser hat Pause. Die Heidelberger Autorin Marlene Bach hat ihre etwas spröde Hauptkommissarin in acht verzwickten Fällen in der Neckarstadt ermitteln lassen, zuletzt im „Heidelberger Hexentanz“. Jetzt ruht sie sich aus – um hoffentlich irgendwann wiederzukommen. Nicht ausgeruht hat sich Autorin Bach; sie hatte allerdings Lust, das Genre Krimi zu verlassen und machte sich deshalb auf zu neuen literarischen Ufern. 

Ihr gerade erschienenes Buch „So weit das Land, so frei das Herz“ ist ein spannungsgeladener Liebesroman, der in dem fiktiven Dorf Neeskamp am Niederrhein spielt. Dort kennt die Autorin sich aus. 1961 wurde sie in Rheydt geboren, an der niederländischen Grenze ist sie aufgewachsen, seit 1997 lebt Marlene Bach in Heidelberg. „Ich hatte dieses Manuskript in weiten Teilen während der Corona-Zeit geschrieben, und als mein Verlag eine neue Sparte Liebesromane eröffnen wollte, habe ich es nochmal dafür überarbeitet“, erklärte die Autorin gegenüber der RNZ. 

Das Ergebnis ist ein Mix aus Liebe, Kriminalgeschichte, Herzens- und anderen Verwirrungen und eine Menge Lokalkolorit. Von dem leider ziemlich sülzigen Titel und dem banalen Coverfoto sollte sich niemand abschrecken lassen, die 315 Seiten bieten spannende Unterhaltung und amüsanten Lesegenuss.

Die Geschichte beginnt in Heidelberg, wo die Ärztin Franca in eine heftige Krise schlittert. Beruflich ausgebrannt kann sie sich nicht entschließen, den Heiratsantrag ihres Freundes Deniz anzunehmen. Was den sympathischen Kripobeamten natürlich kränkt. Als Franca überraschend ein Haus in Neeskamp („Wo liegt das denn? Nie gehört“) erbt, nutzt sie die Chance für eine Auszeit und fährt in die Provinz. In der ländlichen Ruhe will sie eine Antwort auf Deniz’ Frage finden. Mit dem Frieden ist es dort aber nicht weit her, denn ein Mord hat die liebenswert-skurrile Dorfgemeinschaft erschüttert. Zwar will man hier nach dem Motto „füreinander statt gegeneinander“ leben und betreibt dabei allerlei basisdemokratischen Aufwand, aber letztlich ist sich jeder doch selbst der Nächste, wenn es darum geht, einen Mörder oder eine Mörderin zu enttarnen. 

Schon bald verstrickt sich Franca in die Aufklärung des Verbrechens; dass ihr neues Heim im Funkloch liegt, macht die Recherche nicht einfacher. Und als der charmante Außenseiter Lars auftaucht, gerät auch Francas Seelenleben in Turbulenzen. Denn dieser undurchsichtige Kerl verschenkt wunderschöne Wörter wie „sternenblau“ und „mohnrosenrot“ und ist dem „Neeskamper Neugesicht“ gegenüber mehr als aufgeschlossen. Doch er trägt ein Geheimnis mit sich herum, und Franca fühlt sich mit ihm seelenverwandt; denn auch im Leben der 32-Jährigen gibt es eine dunkle Stelle, die nicht einmal Deniz kennt. 

Marlene Bach führt den Leser gekonnt durch ein Labyrinth an Irrungen und Wirrungen; die Krimianteile kommen dabei nicht zu kurz, und ihre Personenbeschreibungen sind wie gewohnt treffend und witzig. Schließlich ist die Autorin promovierte Psychologin. Für ihre Kurzgeschichten wurde Marlene Bach mehrfach ausgezeichnet, zuletzt gewann sie 2022 für „Casanovas Irrtum“ einen der sechs Preise des Kulturforums Südliche Bergstraße beim Wieslocher Krimifestival.

 

Info: Marlene Bach: „So weit das Land, so frei das Herz“, Emons Verlag, Köln, 2024, 320 S., 14 Euro. Die Autorin liest unter anderem am Samstag, 13. April, um 15.40 Uhr im Karlstorbahnhof aus „Heidelberger Hexentanz“ und am Freitag, 26. April, um 19.30 Uhr in der Bücherstube an der Tiefburg, Dossenheimer Landstraße 2, aus „So weit das Land, so frei das Herz“. 


Andreas von Bernstorff an der Seite von Dorothea Paschen in der GEDOK-Galerie. Foto: Lisa Wieser
Andreas von Bernstorff an der Seite von Dorothea Paschen in der GEDOK-Galerie. Foto: Lisa Wieser

 

© Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | FEUILLETON I Freitag, 22. März 2024 

 

Wenn die Sprache inhumane Signale sendet

Andreas von Bernstorff liest in der Heidelberger GEDOK-Galerie aus seinem Buch „Rechte Wörter“

Von Arndt Krödel

Begriffe wie „Dexit“ oder „Clexit“ dürften nicht jedem geläufig sein – es sei denn, er ist auf TikTok unterwegs. Das Videoportal in chinesischer Eigentümerschaft wird, wie Medienanalysen gezeigt haben, von der AfD gezielt – und erfolgreich – genutzt, um ihre Botschaften unters Volk zu bringen. Womit vor allem junge Menschen gemeint sind, die dann mit rechtspopulistischen Ideen wie dem Austritt Deutschlands aus der EU („Dexit“) oder einem Ausstieg aus dem Pariser Klimaabkommen („Clexit“) bekanntgemacht werden. In der rechten Szene hat sich eine ganz eigene Sprache und Sprechweise entwickelt, die in strategischer Manier unsere Alltagssprache und unser Denken beeinflussen will – „Rechte Wörter“, so auch der Titel eines bereits 2020 erschienenen Buches von Andreas von Bernstorff, der darin Bedeutung, Herkunft und Wirkung von Schlüsselwörtern der aktuellen deutschen Rechten untersucht.

Der Autor, in den 1980er Jahren grüner Landtagsabgeordneter für den Wahlkreis Heidelberg und später Kampagnenleiter bei der Umweltschutzorganisation Greenpeace, las jetzt daraus in der voll besetzten GEDOK-Galerie auf einer Veranstaltung im Rahmen der Internationalen Wochen gegen Rassismus. Gastgeberin Dorothea Paschen, Ehrenvorsitzende der GEDOK Heidelberg, wies in ihrer Begrüßung auf die Aktualität des Themas hin, die sich heute geradezu aufdränge. Sie übernahm den Vortrag ausgewählter Kapitel aus dem Buch, um darüber mit Bernstorff ins Gespräch zu kommen. „Wenn wir gegen Rechte bestehen wollen, müssen wir sie zuerst verstehen“, nannte der Autor seine Motivation für das Schreiben seines Werks, dessen Kritik an rechter Sprache sich auf Vorläufer wie Victor Klemperer, Dolf Sternberger oder Matthias Heine berufen kann.

Verstehen in diesem Sinne heißt für Bernstorff, hinter Begriffen wie „Überfremdung“, „Umvolkung“, „Asylindustrie“ oder „Verschwulung“ die Charakteristik des rechten Weltbilds zu erkennen, das mit einfachen Schablonen („gesunder Menschenverstand“) arbeitet und sich einem rational-differenzierten Diskurs verweigert. Hochkomplexe Themen können damit umgangen, Sachverhalte umgewertet und Behauptungen aufgestellt werden, die einer geschichtlichen Analyse nicht standhalten. „Rechte haben überhaupt kein Problem mit dem nationalsozialistischen Sprachgebrauch – Wörter werden zum Teil eins zu eins übernommen“, beobachtete der Autor. Paradox mutet es an, wenn Kampfbegriffe wie „Genderfaschismus“ oder „Toleranzfaschismus“ gegen „linke“ Kritiker ins Feld geführt werden – eine „Immunisierungsstrategie“, so Bernstorffs Analyse, nach dem Muster: Der Dieb schreit am lautesten: „Haltet den Dieb!“ 

Er sieht seine Aufgabe darin, den Sinn für die ausgesprochene Inhumanität rechter Sprache zu schärfen, fragwürdige Kontexte freizulegen und zu erklären sowie an jeden zu appellieren, an seinem Platz und in seinem Umfeld diesem Sprachgebrauch zu entgegnen. Sein Buch ist Aufklärung im besten Sinn.

 

Info: Andreas Graf von Bernstorff: „Rechte Wörter. Von Abendland bis Zigeunerschnitzel“. Carl Auer Verlag, Heidelberg. 170 Seiten, 19 Euro.

 


Beate Meffert-Schmengler vor einem ihrer bemalten Linoleum-Druckstöcke in der Gedok- Galerie. Foto: Matthias Roth
Beate Meffert-Schmengler vor einem ihrer bemalten Linoleum-Druckstöcke in der Gedok- Galerie. Foto: Matthias Roth

„Ich arbeite nach inneren Bildern“

Menschliche Figuren und christliche Symbole: Beate Meffert-Schmengler zeigt in der Heidelberger GEDOK-Galerie Linolschnitte und Tonskulpturen

Von Matthias Roth

 

Dass Beate Meffert-Schmengler eine tief religiöse Künstlerin ist, fällt beim ersten Blick auf ihre Tonskulpturen auf. Sie bestätigt dies im Gespräch, betont aber, dass sie aus der Kirche ausgetreten sei – was nicht an der Religion, sondern an der Kirche selbst liege. Ihre bemalten Ton-Plastiken stellen so zwar Heilige dar, zielen aber im Ausdruck auf das Menschliche. Denn „auch Heilige sind Menschen gewesen, meistens sogar ganz besondere Menschen, die für ihre außerordentlichen Taten bestraft wurden.“

 

Bei der Vernissage in der Heidelberger GEDOK-Galerie trat die 1963 geborene Künstlerin aus Meckenheim bei Bonn zusammen mit der Zweiten Vorsitzenden Christel Fahrig-Holm vor das zahlreich erschienene Publikum und berichtete über ihren künstlerischen Werdegang: Mit zwölf Jahren modellierte sie bereits, ließ sich aber nach dem Abitur zunächst als Physiotherapeutin ausbilden, bevor sie sich nach mehreren künstlerischen Kursen ab 1996 ganz der Bildhauerei widmete.

 

Zahlreiche Aufträge für Skulpturen fertigte sie aus Sandstein oder Bronze, bevor sie sich auch anderen Techniken zuwandte: der Malerei oder dem Linolschnitt etwa. Eine große Ausstellung in Bad Godesberg zu Beginn dieses Jahres, über die es ein Video auf YouTube gibt, zeigt die große Bandbreite Beate Meffert- Schmenglers, die sich in letzter Zeit auch der abstrakten Kunst genähert hat. In Heidelberg ist nur ein kleiner Ausschnitt ihres Œuvre zu sehen, der sich auf kleinere Plastiken in bemaltem Ton und auf Linolschnitte sowie originale Druckstöcke beschränkt. Die menschliche Figur und christliche Symbole stehen dabei im Zentrum ihrer Arbeit. Seit 2017 ist Meffert-Schmengler Mitglied der Heidelberger GEDOK.

 

Ihren allmählichen Rückzug von der Großplastik erklärt die Künstlerin mit dem schweren Material und der beschränkten Raumsituation in ihrem Atelier. „Künstler werden verdrängt“, sagt sie. Künstlerateliers seien keine lukrative Nutzung etwa für leer stehende Industriegebäude – und darunter leide die Szene. Es sei aber auch der Wunsch in ihr entstanden, sich anderen Techniken zu widmen. Auf den Linolschnitt sei sie gekommen aufgrund der klaren Linie, die dieser fordere: „Mit Ton und Stein kann man spielen, mit Linoleum nicht.“ Da sei jeder Strich unwiderruflich. Diese klare Linie zwinge zur Konzentration. Ein neuer Schwerpunkt ihrer Arbeit liege auch in der Malerei, die aber in Heidelberg aus Platzgründen nicht gezeigt wird.

 

„Rein emotional – völlig normal“ heißt die Ausstellung, und das trifft die Arbeit Beate Meffert-Schmenglers genau: „Ich arbeite nach inneren Bildern, rein intuitiv“, sagte sie einmal, und sowohl ihre schlanken Tonfiguren als auch die nach klassischen Vorbildern gebildeten, mehrfarbigen Drucke unterstreichen das. Wobei die Schicksale des Menschen im Vordergrund stehen: Ob ein bandagierter Säugling oder ein kauernder nackter Mensch (an Käthe Kollwitz erinnernd), ob sich die Elternteile um ein Mädchen in der Mitte streiten, eine nackte Frau durch eine Wand von einem Spanner beobachtet wird oder zwei Figuren in Picasso-Manier ihr Leid tragen („Gib mir meine Welt zurück“): Immer scheint diese Kunst ein Aufschrei gegen das Unrecht in der Welt, zugleich aber auch ein Moment der Trauer darüber, dass diese Rufe unbemerkt verhallen. In der GEDOK-Galerie allerdings wurden sie vernommen. 

 

Info: GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 6. April.

Geöffnet Mi+Fr, 16-19 Uhr, Sa 11-14 Uhr;

www.gedok-heidelberg.de


Blumen, Holz und ferne Galaxien

„Mensch! Natur!“: In Heidelberg zeigen Sabrina Ferwagner und Sophie Crossart als neue Gedok-Mitglieder ihre Arbeiten

Von Matthias Roth

© Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | FEUILLETON

Samstag, 16. Dezember 2023 

Sophie Crossart (links) und Sabrina Ferwagner in der Gedok-Galerie. Foto: M. Roth 

Redwood ist leichter, als man denkt. Das Holz des Mammutbaums sammle viel Wasser, das nach der Fällung entweiche, erläutert die Bildhauerin Sabrina Ferwagner in der Gedok-Galerie Heidelberg, wo sie zusammen mit der Aquarellistin Sophie Crossart derzeit ausstellt. „Mensch! Natur!“ heißt ihre Schau in der Römerstraße.

„Atlas“ ist eine Arbeit der 1981 in Göppingen geborenen Künstlerin, die bei der Türk-Schülerin Beate Leinmüller lernte, mit Holz zu arbeiten. Seit 2010 widmet sich Sabrina Ferwagner der Skulptur, die auch Eisenguss sein kann. „Dieser Mammutbaum stand mitten in unserem Dorf und musste wegen einer Krankheit gefällt werden“, erzählt sie. Die auffallende Zweifarbigkeit rühre von der Erkrankung des Baums her. „Atlas“ ist ein lebensgroßer männlicher Torso aus Kernholz: Ein wuchtiger Korpus von kräftiger Statur, den die Künstlerin mit einer Hand hin und her schaukelt.

Vergleichsweise schwerer wiegt der bemalte Damentorso aus Eiche oder der liegende „Anführer der Klageweiber“ aus Platane, den die Künstlerin mit blauer Acrylfarbe attackierte: Ein gefallener Held, um den nicht getrauert wird. „Mephisto“ hingegen, ebenfalls aus mehrfarbigem Redwood, ist ein Torso mit Widderkopf von archaischer Kraft, bei dem die Zeichnung des grob behauenen, aber im Detail genau gearbeiteten Naturstoffs wesentlicher Teil der expressiven Skulptur ist. Antike Mythen und ihre psychologische Deutung sind für Ferwagner Mittel zum Ausdruck auch aktueller Gesellschaftskritik. 

Die aus den Niederlanden stammende Aquarellistin Sophie Crossart widmet sich der Natur mit präziser Beobachtung. Die in München promovierte Kunsthistorikerin, geboren 1989, hält in ihren Bildern vor allem Gewächse fest: Blumen, Früchte, Gräser. Arrangiert zu „memento mori“ oder in freier Kombination sind die Pflanzen detailgetreu wiedergegeben und erinnern an historische Darstellungen der Botanik, als die Fotografie noch lange nicht erfunden war. Tatsächlich nennt sich die heute in Heidelberg lebende Künstlerin auf ihrer Visitenkarte „Botanical & Natural History Artist“.

Das klingt zunächst etwas aus der Zeit gefallen und nicht besonders aufregend. Bis man sich etwa an die erste Begegnung mit Dürers „Hasen“ erinnert oder dessen „Rasenstück“: Scheinbar unspektakuläre Werke, die bei genauerer Betrachtung eine Faszination auslösen, der man sich unmöglich entziehen kann. Ähnlich verhält es sich hier. Crossarts Studien sind viel mehr als das. Sie sind Bild-Kompositionen, die bis ins winzigste Detail akribisch ausgearbeitet sind. 

Die Künstlerin malt nach der Natur, aber zu Hause, quasi im Labor. Die Arbeit kann sich über Wochen, gar Monate hinziehen, und Fotos helfen ihr nur, die Vergänglichkeit des natürlichen Materials aufzuhalten, das während des Malakts zu welken beginnt. „Ich male in vielen Schichten und meist mit sehr trockener Farbe“, erläutert Sophie Crossart ihre Technik, und die Pflanzen, die sie in einem Bild festhält, entsprechen der Jahreszeit, in der sie wachsen oder blühen. Die zarten Strukturen der Physalis, die unglaublichen Farbübergänge bei Magnolien, die „Tiefenschärfe“ vieler Blüten: Das ist eine Kunst, deren feiner Pinselstrich nicht nur Geduld bei der Entstehung, sondern auch vom Betrachter fordert. 

Ein eher beiläufig erwähnter Zusammenhang freilich weist weit über die eigentliche Naturdarstellung hinaus: Die Serie „We Are The Universe“ wurde, gesteht die Künstlerin lächelnd, von den Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops inspiriert, und so bilden zwei wunderschöne Blüten einer gelbweißen Mohnblume die Form der ca. 25 Millionen Lichtjahre fernen „Whirlpool-Galaxie“ (M 51). Mensch und Natur, Nähe und Weite, Bedrohung und Fortschritt: Eine durchaus schwierige Beziehung wird hier auf höchst subtile Weise in einem Bild erfasst. 

Info: Gedok-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 13. Jan. 2024. Mi.+Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11-14 Uhr und nach Vereinbarung. www.gedok-heidelberg.de


RNZ- Interview unseres Kunst-Förderers Prof. Dr. Rainer M. Holm-Hadulla zum Thema Cannabis

© Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | HEIDELBERG

Dienstag, 7. November 2023 

 

„Ein beträchtlicher Prozentsatz vulnerabler Kinder und Jugendlicher wird geopfert“: Rainer Matthias Holm-Hadulla warnt, dass der Verkauf von Cannabis in Geschäften vor allem bei jungen Menschen zu mehr psychischen Erkrankungen führen wird. Foto: Philipp Rothe

 

„Sobald es Cannabis-Geschäfte gibt, steigt der Konsum bei Kindern und Jugendlichen“

Psychiater Rainer Matthias Holm-Hadulla ist gegen Bewerbung als Cannabis-Modellstadt – Er befürchtet massive Schäden für die Jugend

Von Denis Schnur

In seiner Tätigkeit als Psychiater, Psychotherapeut und Psychoanalytiker hat Rainer Matthias Holm-Hadulla seit Jahrzehnten immer wieder mit Cannabis-Konsumenten zu tun – und kennt deshalb die Folgen, die übermäßiger Konsum gerade im jungen Alter haben kann. Entsprechend wenig hält der 72-jährige Professor von der Idee, die Droge künftig in Geschäften zu verkaufen. Aber auch die bisherige Verbotspolitik findet er falsch. Holm-Hadulla forscht und lehrt auch nach seiner Pensionierung weiter an der Universität Heidelberg und der Universidad de Chile. Sein jüngstes Buch befasst sich mit dem kreativen Umgang mit Krisen anhand prominenter Beispiele. Welche Konsequenzen der Cannabis-Legalisierung er fürchtet und warum er Heidelberg für eine denkbar schlechte Modellstadt (siehe links) hält, erklärt Holm-Hadulla im Interview. 

Gegner warnen, die Legalisierung führe zu mehr Konsum, Befürworter entgegnen, das stimme nicht. Was ist richtig?

Mit der Freigabe steigt der Konsum. Das machte zuletzt der renommierteste Experte für das Thema, Prof. Robin Murray, auch im Namen seines internationalen Forschungsteams, auf dem Weltkongress für Psychiatrie in Wien deutlich. Studien, vor allem aus den USA, Kanada und Europa zeigen, dass es dort, wo Cannabis legalisiert wurde, zu einem massiven Anstieg des Konsums gekommen ist – besonders bei Kindern und Jugendlichen. 

Fürchten Sie Ähnliches in Deutschland?

Die Datenlage ist eindeutig. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychosomatik, Psychotherapie und Neurologie bestätigt in einer aktuellen Stellungnahme, dass die Entkriminalisierung und Vermarktung zu mehr Konsum führen wird und damit mehr konsuminduzierte Störungen auftreten werden. 

Es gibt Studien, die auf das Gegenteil hinweisen. In einigen Gebieten ging der Konsum nach einer Legalisierung demnach zurück.

Die vorliegenden Studien, die den Anstieg des Konsums belegen, haben einen so hohen Evidenzgrad wie die Aussage, dass Corona-Impfungen helfen. Die massiven Schäden des erleichterten Zugangs zu Cannabis-Zubereitungen mit hohem Anteil des neurotoxischen Tetrahydrocannabinol (THC) werden durch Meta-Analysen bestätigt, die auch kontroverse Studien berücksichtigen. Das kann man natürlich bezweifeln – aber dann bewegt man sich völlig außerhalb des wissenschaftlichen Konsenses. Auch der in Deutschland in Bezug auf die Drogenproblematik führende Kinder- und Jugendpsychiater Prof. Rainer Thomasius warnt, dass durch die Zunahme des Konsums die Anzahl besonders der chronischen schizophrenen Erkrankungen massiv ansteigen wird. 

Das betrifft einen Teil der Konsumenten – aber das bisher geltende Verbot macht allen das Leben schwer. 

Es wird stark unterschätzt, wie viele Cannabis-Konsumenten unter psychischen und sozialen Schäden leiden. So werden etwa neun Prozent, bei frühem Beginn sogar 17 Prozent, der regelmäßig Konsumierenden abhängig. Dauerhafte Störungen von Konzentration und Gedächtnis kommen sehr häufig vor. Auch Angststörungen und Depressionen sind häufige Folgen. Fast spöttisch wird von Cannabis-Lobbyisten immer behauptet, Cannabis habe noch nie jemanden umgebracht. Das stimmt nicht: Suizide treten bei regelmäßigen Konsumenten deutlich gehäuft auf und auch der Anstieg tödlicher Verkehrsunfälle ist nachgewiesen. Bei mehr als der Hälfte aller Drogenkonsumenten, die eine Behandlung suchen, ist Cannabis die Primärdroge. Besonders erschreckend ist aber die Zunahme chronischer schizophrener Psychosen. 

Warum?

In der bisher umfassendsten Studie mit fast 700 000 Krankheitsdaten wurde in Dänemark von 1971 bis 2021 nachgewiesen, dass mindestens ein Drittel aller chronisch schizophrenen Erkrankungen auf Cannabis-Gebrauch zurückzuführen ist. Die Betroffenen nehmen nicht mehr am sozialen und Arbeitsleben teil und verelenden. Es ist auch belegt, dass in den letzten Jahren der Gehalt des hirnschädigenden THC deutlich angestiegen ist. In den USA gibt es Lutscher, Cookies und Schokoriegel, die für Kinder und Jugendliche besonders attraktiv sind und laut Murray mitunter eine zehnfach höhere THC-Konzentration haben als ein üblicher Joint der frühen 70er. 

Ist Alkohol nicht trotzdem die gefährlichere Droge? 

Die meisten meiner Fachkollegen sind wie ich der Meinung, dass man auch mit Alkohol und Rauchen in der Öffentlichkeit restriktiver umgehen sollte. Es stimmt, dass wir wesentlich mehr Alkoholkranke in Deutschland haben als Patienten mit schädlichem Gebrauch von Cannabis. Aber man muss die Zahl der Erkrankten ins Verhältnis setzen zur Gesamtzahl der Konsumenten. Es gibt auch mehr Menschen, die durch übermäßigen Zuckerkonsum krank werden und sterben als durch die hochgefährliche Droge Heroin. Die Anzahl derjenigen, die Zucker ohne Schäden konsumieren, ist allerdings wesentlich größer und so ist auch die Anzahl der Personen, die Alkohol ohne schwere psychische Störung konsumieren, wesentlich höher als bei Cannabis. Auch das Erkrankungsalter ist zu berücksichtigen: Chronische schizophrene Psychosen beginnen häufig um das 20. Lebensjahr. Eine Alkoholdemenz tritt wesentlich seltener auf und erst nach 20 bis 40 Jahren hochdosierten Konsums. Bei regelmäßigem Cannabiskonsum im Jugendalter kann es dagegen schnell zu irreversiblen Hirnschäden kommen. Leider beobachten wir derzeit eine starke Verharmlosung dieser Risiken. 

Wie meinen Sie das?

Gerade der dramatische Anstieg schizophrener Erkrankungen zeigt, wie stark die Realität von einem mitunter gut gemeinten Hedonismus, besonders aber durch Werbung und Lobbyismus, verzerrt wird. Die Diskussion wird von denen geführt, die ohne Probleme Cannabis konsumiert haben oder daran verdienen. Aber es gibt eben auch die vielen anderen – und die können sich nicht zu Wort melden. Ich habe viele Patienten kennengelernt, die ihr Leben lang unter einer Cannabiskonsum-Störung gelitten haben. Ich kenne Eltern, bei denen sich beide Söhne nach jahrelangem Cannabis-Konsum das Leben genommen haben. Der erleichterte Zugang dient den Älteren, den Schaden tragen die Jüngeren. Mich deprimiert das. Ein beträchtlicher Prozentsatz vulnerabler Kinder und Jugendlicher wird geopfert.

Was hat Lobbyismus damit zu tun?

Cannabis ist ein lukratives Geschäft. Große Unternehmen erobern den Markt und investieren massiv in Werbung und Lobby-Arbeit. Und das Schlimme ist: Diese Werbung richtet sich – etwa durch bunte Süßigkeiten mit hohem THC-Gehalt – besonders an Kinder und Jugendliche. Sie sind die einträglichste Zielgruppe, weil ihre Suchtregulationszentren in einer sensiblen Entwicklungsphase „trainiert“ werden. So lernen sie früh, Affekte und Stimmungen durch Rauchen mit oder ohne Cannabis, Alkohol und andere Drogen zu manipulieren. So erreicht man – man muss es so sarkastisch sagen – eine lebenslange Kundenbindung. 

Wäre nicht gerade im Sinne der Kinder und Jugendlichen eine kontrollierte Abgabe in Geschäften besser? 

Die Daten sagen das Gegenteil: Sobald es Cannabis-Geschäfte gibt, steigt der Konsum bei Kindern und Jugendlichen. Die Gewinne sind beträchtlich, die Krankheitskosten trägt die Solidargemeinschaft. 

Wollen Sie also die bisherige Verbotspolitik beibehalten?

Die Fachgesellschaften sind gegen die freie Vermarktung von Cannabis. Allerdings sollte aus meiner Sicht der Konsum und Besitz kleiner Mengen nicht kriminalisiert werden. Für einen Arzt und Psychotherapeuten ist es unverständlich, warum Cannabis-Präparate nicht auf Rezept in Apotheken erhältlich sein sollten. Es gibt eine Reihe von medizinischen Indikationen, und wenn manche meinen, dass sie Cannabis zur Stimmungsregulation und Verbesserung ihres Lebensgefühls benötigen, wäre es naheliegend, es ärztlich zu verschreiben. Damit wäre eine fundierte Aufklärung über Risiken und Nebenwirkungen verbunden. 

Teile des Gemeinderates wollen, dass Heidelberg sich als Cannabis-Modellstadt bewirbt – auch weil es die jüngste Stadt Deutschlands sei. Ist das nachvollziehbar für Sie?

Überhaupt nicht! Gerade weil hier so viele junge Menschen leben, würde eine Vermarktung, wie sie bislang geplant ist, große Schäden anrichten. Die Idee, mit europäischen Drogenhochburgen zu konkurrieren, ist nicht gut. Eher sollte Heidelberg als Modell dienen, in dem Alternativen zum schädlichen Alkohol- und Drogengebrauch eröffnet werden. 

Welche Alternativen meinen Sie?

Das Wichtigste sind gute soziale Beziehungen. Auch das kreative Spielen in Kitas, das interessierte Lernen in der Schule und das Engagement in Beruf und Freizeit können erfüllend und befreiend sein. Musik-, Theater-, Tanz- und Sportveranstaltungen wirken viel positiver als Cannabis. Als Stadt könnte man auf rauch-, alkohol- und cannabisfreie Jugendclubs mit Musikinstrumenten und guten Sportanlagen setzen. All diese Themen könnten Stadt und Gemeinderat im Vorfeld der Bewerbung zur Europäischen Kulturhauptstadt aufgreifen. Wissenschaftlich interessant wäre es, die positiven Auswirkungen der erwähnten Alternativen durch Studien zu belegen.

 


 © Rhein-Neckar Zeitung| Feuilleton| 27.10.2023

Ruhekissen mit Stacheldraht

Heidelberger Gedok-Galerie zeigt Malerei und Keramik

Von Matthias Roth

 

Sofort fällt eine ungewöhnliche Harmonie auf, wenn man die Gedok-Galerie in der Heidelberger Weststadt betritt: Sabine Schreier und Angelika Wild-Wagner, die hier ausstellen, benutzen ähnliche Farbtöne zwischen Weiß, Blau und erdigem Ocker, sie vermeiden knallige Effekte und arbeiten mit rauen Oberflächen, obwohl sie in zwei völlig unterschiedlichen Metiers zu Hause sind: der Malerei und der Keramik. 

„Das war nicht so verabredet und hat uns selbst überrascht“, schwört die Keramikerin Wild-Wagner. „Der Erde verbunden“, so der Titel der Ausstellung, habe sich aus der Arbeit selbst ergeben: Sie benutzt feinen Ton, der mit 20 Prozent Schamotte gemischt ist, und die Kollegin Schreier widmet sich mit Ölkreide und Acryl der Landschaft, fügt aber in ihre Bilder oft andere Materialien ein, was der Oberfläche vielschichtige Tiefe verleiht. 

Die Diplombiologin Wild-Wagner arbeitet seit fast 20 Jahren mit Keramik und hat darin eine klare Formensprache entwickelt. Ihre Gefäße (Vasen) sind rund, oval oder rechteckig. Sie arbeitet mit Reservierungstechniken, was bedeutet, dass Teile des Tons vor der Glasur mit Plastikfolie oder Wachs abgedeckt und später gesondert behandelt werden. So ergeben sich Muster von hohem Reiz.

Wild-Wagners Wand-Objekte der Serie „Urban Paradies“ haben die Form von Kissen und versprechen im Titel „Süße Träume“ oder „Unruhigen Schlaf“. Dabei sind die tönernen Hohlkörper für alles Mögliche geeignet, nur nicht zum Ausruhen, denn diese Gegenstände sind keine sanften Ruhekissen. Die Paradoxie wirkt irritierend über die Komponente des Haptischen hinaus. Man ist versucht, diese scheinbar flauschigen „Paradekissen“ aufzuschütteln und ihnen mit der Handkante einen Knick zu verpassen. Besonders das Objekt „On the Border“ (An der Grenze) verbreitet unerwartetes Unwohlsein: Hier ist ein weißes Kissen mit Stacheldraht umwickelt, und das Glück verheißende Kuschelbedürfnis schlägt um in Schrecken. „Die Idee kam mir während der großen Fluchtbewegungen der letzten Jahre: Wohin soll man fliehen, wenn man nirgendwo willkommen ist?“, erklärt die Künstlerin ihre Motivation zu dieser und ähnlichen Arbeiten.

Sabine Schreiers Landschaftsbilder entstehen ebenfalls auf vielschichtigem, vieldeutigem Untergrund: Die Leinwand wird mit Plastikresten, Papier und anderem drapiert, Sand wird in die Acrylfarbe gemischt. Blau, Weiß, Grau und Beige lassen Meer, Felsen, Wolken, Gischt assoziieren. Die Oberfläche enthält eine Tiefenstruktur, die faszinierende Details spiegelt. Bei genauerem Hinsehen entdeckt man aufgeklebte Folien, die – so verrät die Kollegin – in ihrer Keramik-Werkstatt als Müll anfielen. Diese Bilder vom Meer oder von Gebirgen beziehen so die Gefährdung der Natur mit ein, die der Malerin seit jeher ein großes Anliegen ist. 

Die Landschaft wird hier zum Sinn-Bild des Menschen, der die Natur liebt und sie gleichzeitig im Müll erstickt. Ihre Verbundenheit zur Erde zeigen die beiden Gedok-Künstlerinnen also im Besonderen in einer kritischen Auseinandersetzung mit der Gegenwart.

 

Info: Gedok-Galerie, Römerstr. 22, Heidelberg, bis 18. November. Mi. und Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11-14 Uhr.


 

© Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | FEUILLETON Samstag, 16. September 2023

Kriminalistische Schnitzeljagd mit viel Lokalkolorit

Marlene Bach lässt in „Heidelberger Hexentanz“ Hauptkommissarin Maria Mooser zum achten Mal ermitteln

Von Ingeborg Salomon

Marlene Bach. Foto: privat 

 

Maria Mooser hat schlechte Laune. Sehr schlechte Laune, und ihre Fans wissen, dass das bei der Hauptkommissarin in Marlene Bachs Heidelberg-Krimis nichts Gutes bedeuten kann. Seit 17 Jahren ermittelt die knurrige Kripo-Beamtin in der idyllischen Neckarstadt, die in den Büchern von Marlene Bach deutlich von ihrer Postkartenidylle abrückt. „Heidelberger Hexentanz“ heißt der achte Fall für Maria Mooser und ihr Team. Eingeweihte treffen auf bereits bekanntes Personal aus den vorherigen Krimis, Neulinge kommen auch ohne Vorwissen gut klar. 

Maria Mooser ist inzwischen Großmutter geworden, Tochter Vera und Enkelchen Jannik weilen an der Ostsee, und eigentlich wollte die liebende Oma sie begleiten. Doch da das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter weiter angespannt ist, bleibt Mooser nichts weiter übrig, als ihre Kollegen bei deren Mordermittlungen zu unterstützen. Eine Leiche am Königstuhl schreckt Polizei und Bewohner auf. Haben die seltsamen Rätsel, die die junge Mutter Emma in einer Schnitzeljagd durch Heidelberg zu lösen versucht, etwas damit zu tun? 

In den Strudel geheimnisvoller Briefe und unheimlicher Begegnungen wird auch Mila Böckle hineingezogen, die gemeinsam mit ihren Freunden Hugo und Emilio eine Pension in der Altstadt betreibt. Dass Mila in Emilio verliebt, dieser aber mit Hugo liiert ist, macht ihr Zusammenleben nicht leichter.

Schon bald ist klar: Was als harmloses Spiel beginnt, wird schnell zu einer gefährlichen Jagd durch Heidelberg. Da Marlene Bach, geboren 1961 in Rheydt nahe der niederländischen Grenze, seit 1997 in Handschuhsheim lebt, kennt sie sich hier bestens aus. Ihre Krimis sind stets eng mit der Heidelberger Stadtgeschichte verbunden und haben aktuelle Bezüge. In „Heidelberger Hexentanz“ spielen wichtige Schlüsselszenen in der frisch renovierten Gutleuthofkapelle in Schlierbach und in der Friedenskirche in Handschuhsheim. Deren Innenraum wurde 2011/2012 umgestaltet, und der schwarze Bronzealtar in der Mitte sowie die Stufenanlage, die den Gemeinderaum mit der Orgelempore verbindet, gefielen nicht allen. Die Kontroversen in der Gemeinde waren heftig. 

Dass in Bachs Krimi der von Emma getrennte Ehemann weiß, dass auf diesen Stufen Worte von Friedrich Hölderlin eingearbeitet sind, dürfte auch viele Heidelberger überraschen. In den Krimis der promovierten Psychologin sind spannende Handlungsstränge immer wieder mit Lokalkolorit verknüpft, sodass auch Einheimische noch einiges lernen können. Marlene Bach schreibt mit viel Humor und Sympathie für ihre Protagonistinnen; und die knurrige Maria Mooser, die von Mila Böckle insgeheim „Krokodil“ genannt wird, ist den Lesern längst ans Herz gewachsen.

Beim Showdown im Dossenheimer Steinbruch gerät Mila, die vor lauter Herzschmerz zunehmend unvorsichtig agiert, in Lebensgefahr. Doch zum Schluss ist fast alles gut: Mila landet zwar im Krankenhaus, doch dort wird sie liebevoll umsorgt von Maria Mooser, die sich nun doch noch entschließt, in den Urlaub zu fahren – zu ihrer alten Liebe Arno. Der wartet in Lappland auf sie. Ein bisschen Kitsch darf es also auch sein. Und da Heidelberg so viele interessante und doch wenig bekannte Ecken hat, dürfen sich Krimifans schon auf ein neuntes Abenteuer mit der unverwüstlichen Ermittlerin Maria Mooser freuen. Sie darf weder sterben noch in Rente gehen, das „Krokodil“ wird noch gebraucht.

 

Info: Marlene Bach: „Heidelberger Hexentanz“, Emons Verlag, Köln, 2023, 285 Seiten, 14 Euro. Zu bestellen auch unter shop.rnz.de/einkaufswelt. Am Samstag, 23. September, um 16 Uhr, liest Marlene Bach beim Literaturherbst auf dem Wilhelmsplatz gemeinsam mit Barbara Imgrund; weitere Termine unter www.marlene-bach.de.

 

 


© Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | FEUILLETON | 29. Juni 2023

Ein letzter Grashalm der Hoffnung

Für mehr Grün in der Stadt: Elsa Becke und Petra Lindenmeyer stellen in der Gedok-Galerie Heidelberg aus

Von Matthias Roth

Elsa Becke hat eine Vision: mehr Grün. Und eine Mission: mehr Grün in der Stadt. Seit Jahren engagiert sie sich politisch für die Erhaltung von Grünflächen in und um Heidelberg. Auch als Fotografin findet sie häufig Motive in der Natur – dort, wo sie gefährdet scheint oder tatsächlich ist. Ob es die Flusslandschaften bei Wieblingen sind, wo sie wohnt und als Künstlerin arbeitet, oder es um die Erhaltung des Penta-Parks, der Ochsenkopfwiese oder um die „Wolfsgärten“ geht: Elsa Becke ist meist mit von der Partie, wenn Proteste gegen Kahlschlag organisiert werden. Zusammen mit Petra Lindenmeyer stellt sie nun in der GEDOK-Galerie am Römerkreis aus.

Bei den Bildern, die hier zu sehen sind, geht es allerdings weniger um die Anprangerung von heute komplett mit Beton oder Stein versiegelten Stadtgebieten, etwa in der Bahnstadt, von der sich auch Elsa Becke während der Planungen vor rund 20 Jahren einen hoffnungsvollen Schritt in eine begrünte Zukunft erträumt hatte. „Es gibt in der Innenstadt heute nur noch 5 Prozent Grün in Heidelberg – wir sind damit Schlusslicht im Ranking der acht großen Städte Baden-Württembergs“, hält die Künstlerin fest. „Trotz Klimanotstand und immer heißer werdender Sommer gab es kein Umdenken: Flächenfraß und Landversiegelung gehen ungebremst weiter und wachsen dramatisch.“

Doch es gebe auch Hoffnung, so die Fotografin, und ihre Bilder und die ihrer Kollegin zeigen es: „Das Grün erobert sich die Stadt zurück, wenn man es nur lässt!“, sagt Becke. Die Ausstellung trägt daher den Titel „(Stadt)-Raum für Verwilderung“, denn auch diesen gibt es – wenn auch selten. Da ist zum Beispiel die mit Moos und „Unkraut“ überwachsene Treppe, die offenbar schon lange nicht mehr benutzt wird. Petra Lindenmeyer hat darüber hinaus – man muss genau hinsehen, um es zu bemerken – einen grünen Faden verschlungen in das Bild gestickt, der die weitere Verwucherung dieses Gebäudeteils quasi herbeisehnt. Auch andere Fotos oder Fotocollagen bestickt die 1968 in Karlsruhe geborene Malerin und Grafikerin, die in Freiburg studierte. Damit hebt sie Strukturen hervor, kreiert Verbindungen oder weist auf Details hin, die sonst vielleicht übersehen würden.

Die Heidelbergerin Elsa Becke hingegen, die sich von hiesigen Künstlern sowie in Trier und Augsburg ausbilden ließ, arbeitet häufig mit Mehrfachbelichtungen. Ihr sonst sehr minimalistischer Stil tritt hier etwas in den Hintergrund. Dennoch geht es ihr nicht um reine Dokumentation: „Fotografie ist ein Wechselspiel zwischen dem, was wir sehen, und dem, was das Gesehene in uns auslöst“, sagt sie im Gespräch. Sie fotografierte etwa ein paar Birken, von denen nicht klar ist, ob sie noch lange da bleiben werden, wo sie jetzt stehen. Sie überblendete dabei mehrere Fotos, was dem Bild eine zarte, lichte Gestalt gibt, die fast wie gezeichnet erscheint. Eine wundervolle Arbeit, die Sommer atmet. 

Andere Aufnahmen zeigen mutige Grashalme, die sich zwischen Häuserwand und Straße emporräkeln, den kurz gemähten Rasen eines Vorgartens oder das wuchernde Grün unter einer Autobrücke, deren Pfeiler bunt bemalt sind. Ihre Arbeiten sollen anregen, den Wandel in der Stadtentwicklung als Ganzes zu betrachten: „Man muss einen neuen Blick finden für das, was im Verborgenen sich entwickelt, für die Schönheit zwischen den Steinen“, meint sie. Ein letzter Grashalm der Hoffnung. 

Info: GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 15. Juli. Geöffnet: Mi u. Fr 16-19 Uhr, Sa 11-14 Uhr und nach Vereinbarung.

 


© Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger Nachrichten | FEUILLETON    Montag, 8. Mai 2023 ,Seite 13

„Wer nicht in der Reihe läuft, wird beseitigt“

Der deutsch-deutschen Lyrikerin Sarah Kirsch zum zehnten Todestag – Lesung mit Musik in der Heidelberger GEDOK-Galerie

Von Matthias Roth

Ingrid Hella Irmelinde Bernstein kam 1935 in Limlingerode zur Welt und wuchs in Halberstadt auf. Sie war naturverbunden, wollte zunächst Försterin werden, entschloss sich aber nach dem Abitur zum Studium der Biologie in Halle. Allerdings hatte ihr die Mutter wohl, die der Wandervogelbewegung angehörte, eine Liebe zur Lyrik mitgegeben, die sich durchsetzte, nachdem sie den Dichter Rainer Kirsch kennengelernt und geheiratet hatte: Um sich von der Elterngeneration abzugrenzen, gab sie sich einen neuen Vornamen und hieß fortan Sarah Kirsch. So ist sie uns heute geläufig: Die Lyrikerin, die ab 1960 veröffentlichte, starb genau vor zehn Jahren. Ihr zu Ehren gestaltete die Heidelberger GEDOK einen gut besuchten Abend mit Lyrik und Musik in der Galerie am Römerkreis.

Dabei trugen die Schauspielerinnen und Rezitatorinnen Dorothea Paschen und Ulrike Wälde nicht nur Gedichte und Ausschnitte aus Briefen der Dichterin vor, sondern sie führten auch durch ihr Leben, das typische Spuren „deutsch-deutscher Geschichte“ enthielt, wie es hieß, als es noch zwei deutsche Staaten gab. 

Schon in ihrem ersten Gedichtband „Landaufenthalt“ (1967) beschreibt Kirsch ihr „kleines, wärmendes Land“ durch das sie mit dem Zug reist bis an seinen „Rand“, den ein „Draht“ markiert. Früh erregte sie die Aufmerksamkeit der politischen Obrigkeit der DDR, als ihr Gedicht „Quergestreiftes“ für einen Eklat sorgte. An ihre Freunde Christa und Gerhard Wolf schrieb sie: „Wer bei uns nicht in der Reihe läuft, wird beseitigt.“ Nach der Ausweisung Wolf Biermanns gehörte sie zu den Erstunterzeichnern einer Protesterklärung, was den Ausschluss aus der SED und quasi Berufsverbot bedeutete. Ein Jahr später durfte sie nach West-Berlin übersiedeln — mit einem Einreiseverbot in den „zweiten deutschen Staat“.

Hier wurde sie Pen-Mitglied und erhielt ein Stipendium der Villa Massimo: „Ach, wie danke ich meinem vorletzten Staat, dass er mich hierher katapultierte“, schrieb sie aus Rom, wo „die Autos fröhlich hupen“ und Zitronen von den Bäumen fallen. In ihren Gedichten verarbeitet sie die Trennung von Rainer Kirsch und die komplizierte Beziehung zu Karl Mikel, mit dem sie einen Sohn hat. Aus Berlin zog sie Anfang der 1980er Jahre nach Schleswig-Holstein. Sie erhielt Auszeichnungen und wurde Büchner-Preisträgerin, und auch den Ida-Dehmel-Preis bekam sie, der nach der Gründerin der Gedok benannt ist. Aber den Ritterschlag als Dichterin gab ihr der FAZ-Kritiker Marcel Reich-Ranicki, der sie „die jüngere Schwester der Droste-Hülshoff“ nannte.

Danach lebt sie in einer Beziehung mit dem viel jüngeren Komponisten Wolfgang von Schweinitz auf dem Land und genießt den Abstand zu den großen Metropolen, wo „dauernd irgendwelche Menschen“ stören: Der Tod einer Ameise im Regen, das „schöne Himmelstheater“ der Wolken, die Natur wird wieder ihr Thema, in der sich das Seelenleben spiegelt. Ihre Gedichte werden kürzer, prägnanter — und sie beginnt zu malen. Das Komponierzimmer wird nach der Trennung von Schweinitz zum Atelier. 

Ingrid Eckert, die über die gemeinsame Freundin Brigitte Fiß Kontakt zur Dichterin hatte, konnte nach der Veranstaltung in der Heidelberger Weststadt zwei Aquarelle von Sarah Kirsch zeigen und einige Geschichten erzählen. Der junge Geiger Vincent Skiba und die Pianistin Brigitte Becker spielten als musikalische Umrahmung die Sonate e-Moll von Mozart und einen Satz des böhmischen Barockkomponisten Wenzeslaus Wodiczka. Zuvor hatte die zweite Vorsitzende der Heidelberger GEDOK, Christel Fahrig-Holm, die Gäste begrüßt und in die Gedenkveranstaltung eingeführt. 

 


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Samstag, 29. April 2023 , Seite 15

 

Kinder in Zeiten des Krieges

Malerei von Agnes Pschorn in der GEDOK-Galerie Heidelberg

– Veranstaltung mit der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft am 4. Mai

Die Künstlerin Agnes Pschorn vor ihren Werken in der Heidelberger GEDOK-Galerie. Foto: M. Roth 

Von Matthias Roth

„Ich kann auch heiter“, sagt die Künstlerin nach einigen Minuten, und wir gehen nach draußen, um die Bilder in den großen Schaufenstern der Gedok-Galerie in der Heidelberger Römerstraße anzuschauen: Ja, da sind auch lachende Kinderporträts in bunten Farben, und drinnen gibt es einen „Kindergeburtstag“ in fröhlichem Rot, Blau, Pink und Orange zu sehen. Eine Kerze steckt in der Geburtstagstorte, und das Geburtstagskind hat eine goldene Krone auf dem Kopf. Aber wirklich lustig sind die Gesichter nicht, und der Kopf des Jungen mit der Krone ist grün verschattet.

Kinder“ heißt die Ausstellung von Agnes Pschorn lapidar, aber die meisten Kinder-Porträts dieser Schau tragen eher traurige Züge. Das größte Format zeigt überhaupt keine Kinder, sondern nur eine Puppe, die kopfüber auf einem Schuttberg vor der Ruinenkulisse einer Stadt liegt. „Es sind diese Fotos und Filme aus der Ukraine, die mich sehr bewegen, sowie das Schicksal der Kinder dort“, erklärt die in Siebenbürgen geborene Künstlerin, die 1975 nach Deutschland kam und in Mannheim lange als Kinderärztin tätig war. Seit 2001 stellt sie ihre Bilder aus, ihre Malerei perfektionierte sie an den Kunstakademien Trier und Bad Reichenhall. Seit 2014 ist sie Mitglied der GEDOK Heidelberg. 

Die abstrakte Malerei und die Zeichnung sind ihre stärksten künstlerischen Standbeine, oft sind beide Techniken miteinander kombiniert: „Ich male sehr gerne Menschen, komme aber eigentlich aus dem Abstrakten“, genauer: dem Informel. So zeichnet sie auf der mit teils sehr bunten Farbflecken überzogenen Leinwand oder auf Papier Kinderköpfe und Figuren. Exakte Vorlagen wie Fotos benutzt sie bei diesen Arbeiten nicht oder nur selten: „Ich verarbeite die Bilder aus der Zeitung oder dem Fernsehen aus der Erinnerung. Alles andere wäre mir zu konkret“, erläutert sie. „Aber so ein Bild wie das von dem Mädchen, das ein Kind auf dem Rücken trägt, das prägt sich mir sehr stark ins Gedächtnis.“ Es erscheint dann auch in unterschiedlichen Varianten mehrfach. Etwa auf einer bemalten Plexiglassäule, die sich im Wind dreht: Sie war Teil einer Installation, die Agnes Pschorn für den Kunstverein Landau schuf. 

Ihre Farben bewegen sich meist zwischen Blau und Rot und tendieren oft zum Dunklen. Sie geben die Grundstimmung wieder, die häufig düster ist. Die darauf gezeichneten Gesten und Blicke der Porträtierten berühren den Betrachter, besonders, wenn ein Junge einen Teddybär als letzte Erinnerung an die Kindheit fest umklammert oder ein anderer in eine Ecke gedrängt seine Arme schützend vor den Kopf hält („Bitte nicht!“). Hier zeigt sich neben Krieg und Zerstörung auch eine Gewalt in häuslicher Umgebung, die viel näher ist als der Geschützdonner im Osten Europas. Die engagierte Malerei der Agnes Pschorn, die selbst inzwischen dreifache Großmutter ist, rüttelt auf und fragt auch nach unserem eigenen Verhältnis zur nachwachsenden Generation. 

 

Info: Gedok Heidelberg, Römerstr. 22, bis 1. Juni. Geöffnet Mi. + Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11-14 Uhr und nach Vereinbarung, www.gedok-heidelberg.de. Im Rahmenprogramm findet am 4. Mai, 19 Uhr, ein literarisch-musikalischer Abend ... in Zusammenarbeit mit der Deutsch-Ukrainischen Gesellschaft statt.


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Mittwoch, 12. April 2023 

Gelüftete Familiengeheimnisse

„Zeit für Großmutter“: Ingrid Samel und Heide-Marie Lauterer stellten ihre Romane in der Heidelberger GEDOK-Galerie vor 

Von Arndt Krödel

Familien bergen Geheimnisse. Dinge, über die man nicht spricht – und das vielleicht ein Leben lang. Es sind Hypotheken, die schwer auf Familienmitgliedern lasten können. Wer sie ergründen möchte, muss damit rechnen, vor verschlossenen Türen zu stehen. Zwei Autorinnen aus Heidelberg und Schriesheim haben sich dieser Aufgabe literarisch gestellt und dabei neben ihrer Herkunft auch ihre eigene Persönlichkeit erforscht. Sowohl bei Heide-Marie Lauterer – in ihrem gerade entstehenden Roman „Das zweite Leben“ (Arbeitstitel) – als auch bei Ingrid Samel – in „Susannas Schweigen“ – geht es um die eigene Großmutter und das Nicht-Gesagte: Die eine schwieg, die andere wurde verschwiegen.

Unter dem Titel „Zeit für Großmutter“ begegneten sich die beiden Schriftstellerinnen bei einem gut besuchten literarischen Abend in der GEDOK-Galerie in Heidelberg, um im Gespräch ihre Projekte vorzustellen. Dabei erhielt man Einblicke in die Schreibwerkstatt. Heide-Marie Lauterer erfuhr im Alter von elf Jahren, dass ihre Großmutter Auguste gar nicht ihre richtige Großmutter war, denn diese war kurz nach der Geburt ihres Vaters gestorben. Hatten ihre Eltern sie belogen, und wenn ja, warum? Das Schweigen und Verdrängen setzte sich fort. Erst, als sie fast erwachsen war, erzählte ihr der Vater mehr von der eigenen Mutter, ihrer Großmutter Marie, die in der Familie der Hofmusikinstrumenten-Fabrikanten Berthold in Speyer aufgewachsen war. 

Ihre große Liebe Georg, die sie mit 22 kennenlernte, hatte in den Augen der Eltern einen Makel: Als Sohn einer Wäscherin war er nicht standesgemäß. Doch die Geschichte des Vaters hatte Lücken. Diese, so Lauterer, brachten sie zum Schreiben ihres Romans, der ihrer in der Familie gemiedenen und tabuisierten Großmutter ein „zweites Leben“ verleihen möchte. Aus Recherchen im Stadtarchiv Speyer und literarischer Einfühlung in die Persönlichkeit von Marie entstand das Buch. Einem Satz der Autorin Judith Hermann folgend habe sie alles so verfremdet, dass alles am Ende nicht mehr richtig ist, aber alles wahr …

Die Erfahrung des in der vorgestellten Vergangenheit angesiedelten Schreibens gab ihr das Gefühl, „ganz zu sein“, beschreibt es Lauterer. Ein Gefühl, das auch Ingrid Samel bei der Arbeit an ihrem Roman „Susannas Schweigen“ hatte. Darin geht es um die Geschichte der Großmutter, die ihrem Sohn Johann, dem Vater der Autorin, die wahre Identität seines Vaters verschweigt. Die Fragen des Sohns nach dem Vater werden von Susanna kategorisch abgelehnt, worunter er leidet: Wenn man nicht weiß, wer der eigene Vater ist, fragt man sich, was man wohl von ihm geerbt hat – sein Aussehen, seinen Charakter?

Im Alter von neun Jahren erfährt sie von ihrem Opa, wer ihr „richtiger“ Großvater ist. Nach einigen Umwegen gelangt der Name in die Dokumentenmappe der Familie, womit das Familiengeheimnis gelüftet war. Der früh gestorbene Vater erfuhr davon allerdings nicht mehr. 

Ingrid Samels Roman spielt zum Teil in der Slowakei, wohin die Spur der Großmutter führt – ein für die Autorin lange unbekanntes Land, das damals hinter dem „Eisernen Vorhang“ lag und Teil der Tschechoslowakei war. Die Großmutter sprach, wenn andere sie nicht verstehen sollten, slowakisch, erinnert sie sich. Als sie dann selbst in die Slowakei reiste, spürte sie ihre inneren Verbindungen zu dem Land ihrer Familie. Mit ihrem auch zeithistorisch gestalteten Roman sei die Geschichte ihres Vaters, der in diesem Jahr 100 geworden wäre, verewigt – bei aller Fiktion.

Info: Heide-Marie Lauterer: „Das zweite Leben“ (unveröffentlicht). 

Ingrid Samel: „Susannas Schweigen“. Verlag Tredition, Hamburg 2020, 248 Seiten, 12,80 Euro.


Konzertlesung im Rathaussaal Speyer

RHEINPFALZ Gastautor   04. April 2023 

 

Der Historische Ratssaal war gut gefüllt, als Sonja Viola Senghaus und Rolf Verres die Bühne betraten, um das Publikum mit Lyrik und Klang zu verzaubern.

Eva-Constanze Gröger führte für die Sektion Speyer des Literarischen Vereins der Pfalz kurzweilig durch die Veranstaltung.Die zu dem Gedichtband gestalteten Bilder der Künstlerin Roswitha Scheithauer wurden mittels einer virtuellen Präsentation von Renate Herrling eingespielt und vervollständigten den Dreiklang aus Bild, Musik und Wort. 

Dieser Nachmittag war der Beweis, wie gegenseitige Inspiration seelenverwandter Kunstschaffender etwas in uns berühren, der Schatten und Licht verbindet. So war die Vorstellung der „Schattensprünge“, dem fünften Gedichtband von Sonja Viola Senghaus, ein unvergleichliches Erlebnis, das den inneren Raum der Zuhörerinnen und Zuhörern mit „lichten Worten“ flutete, um eine Zeile eines Gedichtes zu zitieren. 

REICHE IMPROVISATIONSGABE

Rolf Verres am Flügel verstärkte mit seiner unermesslich reichen Improvisationsgabe jedes Gedicht, vertonte jedes Wort, erfasste jede Regung. Ein scheinbar immerwährender Klangteppich legte sich über die Gäste. Eingehüllt in diese Stimmung gefühlvoller Harmonie konnten die Besucher sich getrost ihrem Schatten stellen, hineinfallen in das Dunkel und schließlich „hinter den Worten das Licht finden“. Die Verse der Dichterin klingen nach, während der Fuß den Boden berührt und nach einer guten Stunde hinaustanzt - ganz ohne Flügel, aber in großen Sprüngen. 

Es war ein Erlebnis besonderer Art und ein wunderbarer Beginn in diese Woche vom Dunkel ins Licht auf Ostern zu.

 


 

„Mehr Farbe!“ fordert Elsbeth Lang gerade in düsteren Zeiten – Ausstellung in der Heidelberger GEDOK-Galerie  RNZ vom 11.2.2023, Feuilleton

Von Matthias Roth

 

Ihre Arbeit beginnt mit einem Farb- chaos. Sie trägt Acrylfarben in bunten Wirbeln auf Papier, Leinwand oder Holz auf, bemalt vollkommen ziellos nicht nur plane Flächen, sondern auch Vierkant- hölzer vom Baumarkt oder gefundene Äste. Dabei läuft meist Musik, wie sie erzählt, und dem intuitiven künstlerischen Ausdruck sind keine Grenzen gesetzt, außer im gewählten Format. „Wenn ich anfange zu malen, habe ich keinen Plan, von dem, was später daraus wird“, gesteht Elsbeth Lang und lacht, als wir sie in ihrer aktuellen Ausstellung in der Heidelberger GEDOK-Galerie am Römerkreis besuchen. Die 68-Jährige lacht gerne.

Wenn die Farbe trocken ist, beginnt die eigentliche Arbeit. Denn nun betrachtet die in Eberbach geborene Künstlerin, die in Schriesheim lebt und arbeitet, das Resultat ihrer Farbexplosionen ganz genau. Und sie fängt an, auf dem farbigen Untergrund zu zeichnen: Ein runder Pinselstups mit weggewischtem Pinselhaar wird zu einem Hinterkopf, ein zufälliger Hell-Dunkel-Kontrast zu einem muskulösen Rücken, ein paar Striche noch – schon ist aus den seltsamen Flecken ein Paar entstanden, das vertraut ins Gespräch versunken scheint.

Ein anderer Fleck wird zu einer großen Nase, der Kopf ergibt sich wie von selbst aus den Umrissen angrenzender Farbenflächen. Manche Augen gucken lüstern, einige Ohren sind spitz wie bei einem Kobold. Die Leinwand, die Stele wird so mit einer assoziativen Welt aus Gesichtern, Körpern, Gesten und kuriosen Figuren überzogen.

„Das menschliche Antlitz erzählt Bücher voller Geschichten“, meint Elsbeth Lang. „Ich mag nichts Geplantes in der Kunst und will auch mich selbst überraschen mit dem, was ich mache.“ Viele ihrer Arbeiten sind sehr humorvoll – bis in die Titel hinein. Der Ausstellungstitel „Oh, Mensch!“ klingt dabei pathetischer, als die Schau letztlich ist: Elsbeth Lang, Schülerin von Patrique Marques, Piotr Skroban und Hans Köhler, hebt mit ihren Über-Zeichnungen Strukturen hervor, die im spontanen Farbauftrag sich selbst gebildet haben und macht dadurch sichtbar, was andere übersehen: Das ist eine Gabe. Vernissage-Rednerin Andrea Tewes verglich dies mit dem absichtslosen Beobachten von Wolken, die sich zu überraschenden Gebilden am Himmel formieren können.

Die Frage, ob die Corona-Lockdowns oder der Krieg in der Ukraine ihre künstlerische Sicht verändert hätten, kontert Elsbeth Lang direkt: „Ja, noch mehr Farbe! Ich kann schwarze Bilder gerade in düsteren Zeiten nicht aushalten.“ Ihre Arbeiten können durchaus auch als Stimmungsaufheller dienen – nur ein bisschen Zeit sollte man beim Besuch der Galerie mitbringen, denn die Werke fordern einen genauen Blick.

Info: GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstr. 22, bis 4. März 2023. Mi. u. Fr. 16-19 Uhr, Sa. 11-14 Uhr oder nach Vereinbarung; www.gedok-heidelberg.de

 

Elsbeth Lang in der GEDOK-Galerie Heidelberg. Foto: Matthias Roth


Künstlerinnen der GEDOK Heidelberg im neu gewählten Vorstand der BundesGEDOK stark vertreten! via GEDOK Heidelberg, 30.10.2022

 

BUNDESFACHBEIRÄTINNEN FÜR ANGEWANDTE KUNST / ARTDESIGN DES GEDOK BUNDESVERBANDES e. V.

Angelika Karoly, GEDOK Heidelberg.
Angelika Wild-Wagner , GEDOK (Bundesfachbeirätin außerhalb des Vorstandes)

SCHRIFTFÜHRERIN im Bundesvorstand:

Elsa Hagelskamp, GEDOK Heidelberg.
Silke Prottung, GEDOK Heidelberg, Newsletter für Angewandte Kunst.
Herzliche Glückwünsche und Dank für so viel Engagement!  
  
Die neue Präsidentin ist Béatrice Portoff (GEDOK Wiesbaden), ihre beiden Stellvertreterinnen sind Ing Ohmes (GEDOK Freiburg) und Brunhild Fischer (GEDOK Mitteldeutschland), die alte und neue Schatzmeisterin  ist Irmela Fröhlich.

 Mittwoch, 26. Oktober 20225

©Rhein-Neckar Zeitung | Heidelberger

Was macht uns aus? • Vernissage in der GEDOK-Galerie

RNZ. Die Künstlerin Sabine Friebe-Minden greift in ihrer Kunst grundlegende, universelle Fragen auf: Wo liegen unsere Wurzeln? Was ist in unserem Erbgut ver- ankert? Was prägt uns darüber hinaus, was macht uns aus? Was wollen wir bewahren, wovon wollen wir uns befreien? Am Samstag, 29. Oktober, wird nun ihre Ausstellung „Erinnerungen an das Unbekannte – Darum kreise ich mit meinen Gedanken, mit Stift und Pinsel“ um 19 Uhr in der Ge- dok-Galerie, Römerstraße 22, eröffnet. Zur Begrüßung spricht Dorothea Paschen, Ehrenvorsitzende der Gedok, die Einführung übernimmt Dr. Klemens Wild.

Die Erinnerungen an den traditionellen Kreistanz der ehemaligen Bewohner eines Dorfes an der Schwarzmeerküste, die in Folge des Zweiten Weltkrieges in alle Himmelsrichtungen verstreut wurden, an das Verbundensein, aber auch an das Sich- Trennen, das Sich-Verlieren sind Ausgangspunkt der Werkreihe „Erinnerungen an das Unbekannte“. Neben persönlichen Erinnerungen bezieht sie ebenfalls mündliche Überlieferungen, Aufzeichnungen und alte Fotografien in ihre Arbeiten ein.

Darüber hinaus tauchen in ihren Werken wissenschaftliche Modelle und archetypische Symbole auf. Die DNA als Trägerin unseres Erbgutes, Treppenstufen als Zeichen von Entwicklung und Voranschreiten, das Labyrinth als vielfältiges und spirituelles Symbol, Hände, DNA-Stränge und weitere Symbole überlagern sich und verschlingen sich ineinander. Anschließend ist die Ausstellung Mittwoch und Freitag von 16 bis 19 Uhr und Samstag von 11 bis 14 Uhr zu sehen.

„Erinnerungen an das Unbekannte“  • Künstlerin Sabine Friebe-Minden. 


RNZ 08./09.Oktober 2022

Dem Raub der Zeit ausgesetzt

Claudia Urlaß und das Künstlerduo Barbara Guthy und Soana Schüler bringen Kunst „Auf den Punkt“

Von Matthias Roth

Leider gibt es Vorurteile, die unausrottbar scheinen. Etwa jenes, dass Frauen auf Emotionen abonniert seien, während Männer analytisch vorgingen. Claudia Urlaß etwa hat als Meisterschülerin von Prof. Silvia Bächli und Michel Gholam auch Mathematik studiert, und ihre Arbeit ist dem Konstruktivismus und der Konkreten Kunst zuzurechnen. Sie nutzt Fibonacci-Reihen und andere mathematische Problemstellungen, die mit abgezählten Klebepunkten abstrakte Muster ergeben. Aber Urlaß zeichnet auch in eher meditativer Weise mit vielen Tausend Bleistiftstrichelchen, die als „Gewebe“ einen Kreis von gut einem halben Meter Durchmesser bilden. In der GEDOK-Galerie Heidelberg kann man diese erstaunlichen Arbeiten nun sehen.

„Auf den Punkt“ heißt die Ausstellung, die das Künstler-Duo Barbara Guthy und Soana Schüler mit Objekten und Fotos erweitert, die ihre „Land-Art“ dokumentieren. Hier spielt die Form des Kreises eine herausragende Rolle, auf den sich die meisten Arbeiten beziehen. In der GEDOK-Galerie kann man etwa einen Ring aus verkohlten Schilfwurzeln („Transformation“, 2022) bestaunen, dessen knochige Einzelteile sich frei verknoten.

Die 1961 geborenen Künstlerinnen, die seit 2002 zusammenarbeiten, benutzen Naturmaterialien, etwa verkohlte Linsen in Wachs auf Papier, was bei zahlreichen gezeigten Wandbildern die Sache „auf den Punkt“ bringt: Es sind Reflexe ihrer Arbeiten in freier Landschaft, die sie international, aber auch in der Region (etwa als „Radiale“-Beitrag auf dem Dilsberg) realisierten und die oft gezielt dem Raub der Zeit ausgesetzt werden. Umfangreiche Foto- und Filmdokumentationen sowie Bücher halten diese Objekte fest. Vergänglichkeit und Neuanfang, Wildwuchs und der Eingriff des Menschen: Das sind Themen, die diesen Objekten immanent sind.


EIN SINNLICHES FEUERWERK  

Mit Ihrer neuen CD „CELLO CANTABILE“ begeistern Alexandra Netzold, Violoncello und Brigitte Becker bereits via Spotify und Deezer Tausende von Zuhörern weltweit.In den legendären Bauer Studios in Ludwigsburg unter dem Label SACRAL entstand ein Album der Extraklasse.

Im Vorwort zur CD schreibt Alexandra Netzold: „Beim Cellospielen fühle ich mich immer wie ein Sänger, ich habe eine einzige Stimme, die schönste Stimme, die man nur haben kann.“ Kein Geringerer, als der legendäre Weltklassecellist Mstislaw Rostropowitsch  kreierte dieses wunderbare und treffende Zitat während unserer Zusammenarbeit für ein internationales Konzertprojekt im Juni 2005. Geprägt durch diesen epochalen Satz, entstand nun die Idee zur neuen CD „CELLO CANTABILE“ mit Liedkunst von Robert Schumann,Johannes Brahms, Clara Schumann, Gabriel Faure, Sergej Rachmaninoff und George Gershwin. In all diesen Liedern „singt“ das Cello sowohl in allen Stimmlagen, mal wie ein Sopran, mal wie ein Bariton , als auch in den verschiedensten Genres und beweist damit einmal mehr, daß von allen Instrumenten das  C e l l o   der menschlichen Stimme am nächsten ist."

In der romantischen Liedkunst, hier arrangiert für Violoncello und Klavier, die Alexandra Netzold und Brigitte Becker  für ihr gemeinsames neues Album ausgewählt haben, stecken unendlich viele Farben und Emotionen, die die beiden Künstlerinnen mit Herzblut und einem faszinierenden Hang zur Extravaganz herauskitzeln.

CELLO CANTABILE transportiert in jeder Sekunde die Faszination des „Liedes", sich an den Reizen des Schönen zu erfreuen. Die Musikerinnen spornen sich dabei gegenseitig zu virtuosen Höchstleistungen an und lassen die bekannten Kunstlieder in ganz neuem Glanz erstrahlen. Ihre mitreißende Spielfreude überträgt sich im Nu und läßt CELLO CANTABILE zu einer wunderbaren Sinnenfreude werden.

Der Titel CELLO CANTABILE spielt in den Werken der CD die zentrale Rolle. Dass man auf dem Cello gleichsam singen, also die menschliche Stimme imitieren könne, ist ein Kompliment, das Weltklassecellisten gerne gemacht wird. Doch wenige haben es so verinnerlicht wie Alexandra Netzold. Die lyrisch-kantable Dimension ihres Instrumentes kostet sie in diesem Album so überragend aus, daß es eine Freude ist. Immer fantastisch begleitend unterstützt von einer traumwandlerisch folgenden Brigitte Becker am Klavier.

Mit Johannes Brahms' „Meine Liebe ist grün“ beginnt diese beeindruckende Aufnahme voller Verve und Esprit in den höchsten Lagen ihres alten Italienischen Violoncellos von Hannibal Fagnola traumhaftest singend. Wunderbar gefolgt von Gabriel Faurés „Après un reve“ und Robert Schumanns „Ich will meine Seele tauchen“ - elegant, innigst, zart. Ein musikalischer Hochgenuss! Edel musiziert danach Johannes Brahms’ „Wiegenlied“ , Gabriel Faurés „Berceuse“ und Robert Schumanns „Widmung“ und „Ich grolle nicht“,

mit herausragendem Klang, selbst in den höchsten Cellolagen. Selten hört man solch eine Qualität des Ausdrucks und der lupenreinen Technik wie in Sergej Rachmaninoffs „Vocalise“ und mit George Gershwins „Summertime“ und „I Got Rhythm“ beweisen die beiden Virtuosinnen Alexandra Netzold und Brigitte Becker, daß auch Jazzanklänge kein Problem für sie sind; im Gegenteil : Bei „Summertime“ hört man auf dem Instrument der Cellistin beinahe die berühmte Sopranistin Anna Netrebko edelst ihre Stimme in die höchsten Lagen hinaufschwingen und bei „I Got Rhythm“ fühlt man sich an die elegante Leichtigkeit der weltbekannten Barbara Hendricks erinnert.

Welch ein sinnliches Feuerwerk!

 

Rhein Neckar Zeitung - Aloisia Sauer /  Juli 2021  /  LABEL SACRAL Bestellnummer: SACD 9272 / SPOTIFY / DEEZER / AMAZON


In diesen Bildern gibt es viel zu entdecken  RNZ 29.4.2022

 Philine Maurus zeigt in der Heidelberger GEDOK-Galerie ihre altmeisterlichen Ölgemälde voller Rätsel

Von Matthias Roth

Von Weitem oder beim flüchtigen Vorbeifahren mit der Straßenbahn könnte man meinen, es handele sich um Fotos von Bauten oder antiken Skulpturen, die in den Schaufenstern der Heidelberger GEDOK-Galerie am Römerkreis ausgestellt werden. Aber Philine Maurus, die hier etwa 20 Bilder zeigt, ist Malerin, und Öl auf Leinwand ist ihr bevorzugtes Material. Allerdings ist die Leinwand auf Holzplatten aufgezogen, was eine „harte“ Mal- weise ermöglicht, wie die Künstlerin betont. „Der scheinbare Realismus meiner Bilder ist nicht zuverlässig.“.

Die bald 80-Jährige stammt aus einer Theaterfamilie: Die Mutter war Schauspielerin, der Vater Regisseur, „in Düsseldorf, unter Gründgens“, erzählt sie fast beiläufig. Sie selbst arbeitete lange als Kostümbildnerin, auch in Heidelberg. Als Malerin sei sie Autodidaktin, orientiert am Vorbild Caravaggio, weniger an de Chirico, der ihr gelegentlich unterstellt wird.

Über Vermeer unterhalten wir uns später sehr angeregt, und dessen Bilder kennt sie auch sehr gut; sie hat ihn früher sogar parodiert.

Zuletzt wurde ihr in Heidelberg 2008 eine große Retrospektive im Kunstverein ausgerichtet, wo der „Andere Blick“ auch einigen Heidelberg-Ansichten galt. Diese fehlen nun – bis auf eine Hofansicht des Landfried-Komplexes (Sommerabend, 2014) mit Schornstein und Außen- Wendeltreppe. Dass es ihr Backsteinbauten angetan haben, zeigt sich auch in Ansichten aus Dresden (Heizkraftwerk, 2008), Siena (Campo, 2013) oder in der „Straßenszene“ mit Brotverkäufer (2021) nach einem historischen Foto.

„Ich male altmeisterlich“, bekennt Philine Maurus, „immer von hinten nach vorne. Zuerst den Himmel, dann die Berge, dann die Stadt, dann die Schrottautos. Zuletzt die dürren Sträucher“, die einem nur auffallen, wenn man genau hinsieht. Der erstaunliche Detailreichtum von „Death Valley“ lohnt die genaue Betrachtung: die runden Pfosten der Abgrenzung, die unterschiedlichen Bretter, aus denen die Häuser gezimmert sind, der kaputte Rolladen, die unterschiedlichen Wrackmodelle – ein Bild voller Rätsel.

Genauso reichhaltig ist die grell ausgeleuchtete Straßenszene, die von zwei im Schatten stehenden Figuren vor gelbem Vorhang beobachtet wird. Alles ist heruntergekommen, die Ladenfenster genauso wie die Markisen oder der von Moos befallene Mörtel der Ziegelbauten. Dennoch wirkt diese Straße aufgeräumt, geradezu blitzblank. Nicht nur diese Stadtansicht wirkt seltsam geisterhaft.

Wie lange sitzt man an einer solchen, mit feinem Pinsel fast pingelig-korrekt ausgeführten Arbeit? „Monate“, stöhnt die Künstlerin. Ihr Atelier sei klein, sie brauche wenig Raum zum Malen. Meist habe sie in nur wenigen Sekunden die Idee zu einem Bild, verrät sie. „Der Rest ist Arbeit“, sprich: Handwerk. Ganz so einfach ist es aber nicht: Ein Bild mit einem Holzpalette, über der ein Lappen hängt („Abbild“, 2017), gewinnt symbolhafte Kraft, wenn sie gesteht, es erinnere sie an die Boatpeople, die 2015 übers Meer flohen und das oft nicht überlebten. Der Lappen, der letzte Rest eines Menschenlebens, erscheint zum Greifen plastisch: „Licht und Schatten, das habe ich bei Caravaggio gelernt!“ In diesen Bildern gibt es viel zu entdecken.

Info: GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 14. Mai. Geöffnet Mi+Fr 16-19 Uhr, Sa 11-14 Uhr und nach Vereinbarung.

 

Philine Maurus mit ihrer „Straßenszene“ (2021). Foto: M. Roth


Schwetzinger Zeitung - Rezension von Sabine Zeuner zur Ausstellung warm_zeit am 23.3.2022  in der Villla Meixner, Brühl


Auf die Dramaturgin folgt die Schriftstellerin  RNZ  17.3.022

Die Heidelberger GEDOK hat mit Marion Tauschwitz eine neue Vorsitzende – Dorothea Paschen gibt nach acht Jahren die Leitung ab

Von Ingeborg Salomon

Wechsel im Vorstand der Heidelberger GEDOK: Nach acht Jahren als Vorsitzende übergab Dorothea Paschen jetzt den Stab an Marion Tauschwitz – auf die Dramaturgin und Schauspielerin folgt die Schriftstellerin. Was schon ein wenig andeutet, wie vielfältig die Künstlerinnenvereinigung aufgestellt ist. Im Gespräch mit der RNZ zog Dorothea Paschen Bilanz und blickt in die Zukunft.

RNZ: Sie haben in den letzten acht Jahren als Vorsitzende die Aktivitäten der Heidelberger GEDOK geprägt. Was waren für Sie die herausragenden Ereignisse?

Als ich den Vorsitz 2014 übernommen habe, war ich kurz vor meinem Ausscheiden im selben Jahr 19 Jahre für Bündnis 90/Grüne im Gemeinderat tätig und dort auch im Kulturausschuss. Diese Erfahrung hat der GEDOK viele Türen geöffnet. Während meiner Stadtratstätigkeit hatte die GEDOK bereits eine institutionelle Förderung bekommen. Ebenfalls 2014 konnte unsere Galerie in der Römerstraße 22 eröffnet werden. Damit ist ein lang gehegter Traum wahr geworden. So hatten wir endlich einen Raum für Ausstellungen, Performances, spartenübergreifende Aufführungen und literarisch-musikalische Darbietungen, und wir haben für unsere Mitglieder einen festen Treffpunkt. Im selben Jahr fand auch die Bundestagung der GEDOK in Heidelberg statt. Eine aufwendige Erfahrung! 2019 haben wir zu unserem 90. Geburtstag ein wunderbares, vielbeachtendes Fest organisiert unter dem Motto „Netzwerkerinnen“. Besonders herausragend aber war und ist für mich die Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen aller Sparten, wodurch viele fruchtbare Veranstaltungen und persönliche Erfahrungen entstanden sind.

Wie ist die GEDOK bisher durch die Coronazeit gekommen?

Wir mussten unsere Galerie sehr oft schließen und erfinderisch werden. Anfang 2021 haben wir aus dem Programm „Neustart Kultur“ Fördergelder bekommen, sodass wir in unserer Galerie vieles verbessern konnten. Das Wichtigste war der Einbau einer Lüftungsanlage für Veranstaltungen, zumal es im Sommer wegen der großen Fenster auch oft sehr heiß war. Es gab kein W-Lan und kein Internet, jetzt können wir viel besser arbeiten und auch streamen.

 Der Vorstand wird immer für zwei Jahre gewählt, Sie hatten also vier Amtsperioden. Warum treten Sie nun nicht mehr an?

Wir machen diese Arbeit ja ehrenamtlich, wir haben kein Sekretariat und am Vorstand bleibt doch vieles hängen. Ich habe das all die Jahre wirklich sehr gerne gemacht. Wir sind zur Zeit 110 Frauen, dazu sechs männliche Kunstfördernde verschiedenen Alters, und wir haben ein sehr harmonisches Miteinander. Aber jetzt möchte ich für meine künstlerischen Tätigkeiten mehr Zeit haben und die arbeitsintensive Verantwortung an die nächste Generation abgeben. Christel Fahrig-Holm bleibt ja zweite Vorsitzende, die Kontinuität ist also gewahrt.

Wohin soll die GEDOK sich in den nächsten Jahren entwickeln?

Wir werden unsere große Linie, spartenübergreifend zu arbeiten, beibehalten, wollen aber mehr die modernen Medien nutzen und hoffen natürlich auf Zuwachs vor allem von jüngeren Künstlerinnen. Eine Idee ist auch, mehr Workshops anzubieten, vor allen für Jugendliche. Auch soll es mehr Kooperationen zwischen anderen künstlerischen Einrichtungen geben. Die GEDOK soll moderner werden.

Wie sieht es mit männlicher Beteiligung aus?

Mitglieder können in allen Sparten weiter ausschließlich Frauen werden, aber Männer können als Kunstfördernde beitreten und sind uns als Gäste und als Akteure sehr willkommen. Wir hatten ja auch schon derartige Veranstaltungen, beispielsweise kürzlich eine literarisch-musikalische Aufführung mit Sonja Viola Senghaus und Rolf Verres.

Sie haben nun mehr Zeit für eigene Aktivitäten. Was haben Sie vor?

Ich möchte wieder mehr schauspielerisch und dramaturgisch arbeiten und habe da auch schon einige Ideen und Angebote, außerdem bleibe ich weiterhin Erste Fachbeirätin für Darstellende Kunst in der Heidelberger GEDOK.

 

 Marion Tauschwitz wurde 1953 in Offenburg geboren, hier verbrachte sie ihre Schulzeit. In Heidelberg studierte sie Germanistik und Anglistik und legte zwei Staatsexamen ab, bevor sie begann, als freie Dozentin und Autorin zu arbeiten. Ab 2001 war sie eine enge Vertraute der Dichterin Hilde Domin, der sie bis zu deren Tod 2006 zur Seite stand. Über ihre Freundin hat Marion Tauschwitz mehrere Bücher geschrieben und herausgegeben. Für ihre 2014 veröffentlichte Biografie über Selma Meerbaum-Eisinger zeichnete sie die Internationale Autorinnenvereinigung zur Autorin des Jahres aus. Außerdem veröffentlichte sie eine autobiografische Novelle und einen Roman. Tauschwitz lebt in Ziegelhausen und ist u. a. Mitglied im Verband Deutscher Schriftsteller und Fachbeirätin Literatur der GEDOK Heidelberg. 2018 wurde sie Mitglied des Pen-Zentrums Deutschland.

 


Magische Räume und öffentliche Orte

Die Heidelberger GEDOK-Galerie präsentiert Ölmalerei von Katja Hess und Christel Fahrig-Holm

Von Susann Behnke-Pfuhl ( RNZ, Heidelberger Nachrichten, Feuilleton  11.3.2022)

 

Nach zwei Jahren die erste Vernissage mit Publikum in der eigenen Galerie in der Römerstraße: Eigentlich ist das ein Grund zur Freude für die erste GEDOK-Vorsitzende Dorothea Paschen, doch auch diese Veranstaltung wird von der Sorge über den Angriffskrieg Russlands überschattet. So drückte sie in ihrer Einführung ihr Mitgefühl für die Ukrainer aus. „Treffpunkt Kunst“ heißt die Doppelausstellung der Malerinnen Christel Fahrig- Holm und Katja Hess. Der Titel spricht die Kunstwelten und öffentlichen Orte an, in denen die beiden sich zu Hause fühlen und die in ihren Bildern gespiegelt werden. Eine gemeinsame Vorliebe haben beide auch für den britischen Maler David Hockney.

 

Christel Fahrig-Holm lebt seit 35 Jahren in Heidelberg und stellte unter anderem schon mehrfach bei der Willibald-Kramm-Preisstiftung aus. Sie zeigt neue Arbeiten: Innenräume von Museen, berühmte Cafés und Stillleben. Ihre Bilder sind realistisch gemalt, bei genauerem Hinsehen jedoch entfalten Gegenstände und Figuren ein Eigenleben. Sie erscheinen verändert, werfen wie in dem Werk „Museumsnacht“ eigenartige Schatten, die Skulpturen bewegen sich, Statuen klemmen sich Mäntel unter den Arm. Eine geheimnisvolle Atmosphäre entsteht. Im Bild „Musée Rodin“ werden Objekte, wuchernde Zimmerpflanzen und Besucher dramatisch beleuchtet. Licht und Schatten entsprechen nicht der Realität.

Fahrig-Holm lasiert ihre Bilder in vielen Schichten und arbeitet vom Dunkel ins Helle. „Der Raum beginnt im Laufe des Malens Magie zu entwickeln“, sagt die Künstlerin. Sie ist fasziniert vom unerschöpflichen Thema des Raums und seiner verborgenen Möglichkeiten. Manche Bilder erinnern an Karin Kneffel, die ebenfalls Raum- und Realitätsebenen im Bild vereint.

 

Katja Hess dagegen, die in den Niederlanden und den USA ausgebildet wurde, wählt nach eigener Aussage ihre Sujets „mit einem Augenzwinkern“. Statuen aus dem 19. Jahrhundert, die sie im Museum studiert hat, dienten als Vorlage für die Götter der griechischen My- thologie, die in ihren Bildern auf Gemälde der modernen Kunst von Henri Matisse, Tom Wesselmann oder David Hockney blicken. Hess hat keine Hemmungen die berühmten Vorlagen nach ihren Vorstellungen zu interpretieren.

Gefallen ihr die Farben der Originale nicht, verändert sie sie. Hess fokussiert sich auf die Interaktion des Betrachters mit dem Kunstwerk. In der Arbeit „Nackte Verwirrung“ von 2017 fixiert die antike Heldin den berühmten liegenden Frauenakt „The Great American Nude“ des Pop Art-Künstlers Tom Wesselmann. Die stark stilisierte weibliche Figur mit den knallroten Lippen, die die neue Freundin des Künstlers zeigt, gehört zu den Ikonen der Kunstgeschichte. Die Gegenüberstellung der beiden Frauen hat etwas Frappierendes, auch wenn sich Wesselmann bei diesen Bildern vor allem auf Matisses Odalisken bezog.

i Info: „Treffpunkt Kunst“, GEDOK Galerie, Römerstr. 22, bis 2. April. Geöffnet mi und fr von 16 bis 19 Uhr, sa von 11 bis 14 Uhr.


Schwetzinger Zeitung 26.11.2021

 

Historischer Ratssaal - Konzertlesung mit Lyrikerin Sonja Viola Senghaus und Pianist Rolf Verres

Konzertlesung in Speyer mit Sonja Viola Senghaus und Rolf Verres

Speyer. Wie viele andere ergriffen auch Lyrikerin Sonja Viola Senghaus und Pianist Rolf Verres die Chance, die ursprünglich für 2020 geplante Konzertlesung im historischen Ratssaal in Speyer nachzuholen. „Zwischen Tag und Traum“ ist der fünfte Gedichtband der Autorin, erschienen 2019 im Azur Verlag, und sollte im Mittelpunkt des Abends stehen, den die beiden abwechselnd mit Klängen und mit Worten füllten. Auch Verlegerin Gerlinde Kraus und die Speyrer-Künstlerin Gerdi König, Urheberin des Titelbildes, sitzen im Publikum.

„Meinen inneren Raum flute ich mit lichten Worten“, beschreibt das lyrische Ich in einem der Gedichte. In einem anderen heißt es „Hinter seiner Stirn ist alles Klang“.

Mit diesen poetischen Worten ließen sich auch die Akteure auf der Bühne beschreiben. Zu den sensiblen kurzen Gedichten der in Speyer ansässigen Sonja Senghaus improvisierte Rolf Verres , der neben der Musik auch als Psychologe und Fotograf tätig ist, kraftvolle Stücke am Klavier, deren Töne mal wie gemächliche Schritte und ein anderes Mal wie ein wilder Galopp daherkamen.

Die Geschichte ihres Kennenlernens erzählte die mehrfache Autorin dem Publikum gleich zu Beginn: Während einer Klavierdarbietung am Seniorennachmittag habe sie ein Gedicht zu seinem Spiel geschrieben, welches sie ihm anschließend zukommen ließ. Daraus entstand bald die Zusammenarbeit.

Wiederkehrende Motive

Da jedoch ihre Erzählung noch von einigen Problemen mit dem Mikrofon begleitet wurde, legte sie diese letzte Barriere zwischen sich und dem Publikum ab, bevor das erste Gedicht begann. Wiederkehrende Motive zogen sich durch ihre Verse und schufen einen roten Faden für die Zuhörer: Musik, als verbindendes Element zwischen zwei Menschen, Sehnsucht in Form von Möwen, der Zustand Melancholie, der Tag und die Nacht. Gerade der immer wiederkehrende Bezug zur Musik in den Worten schuf ein harmonisches Zusammenspiel zum begleitenden Klavier.

Bildhaft, feinfühlig und wortgewandt bewegten sich die Gedichte durch zutiefst menschliche Erfahrungen und Gefühle, die von Liebe bis zur Erkenntnis der Vergänglichkeit des eigenen Seins reichten. Mit wenigen Worten entführt Sonja Viola Senghaus die Zuhörer und Zuhörerinnen in einen träumerischen Schwebezustand.

Erst als Rolf Verres ein Gedicht über einen verschlafenen Morgen im Bett humorvoll mit Schnarchen, statt mit dem Klavier untermalte, wurden sie für einen Moment aufgeweckt und lachten, bevor sie erneut still und leise in der Klang- und Wortlandschaft abtauchten, die in dem historischen Saal geschaffen wurde.

Als das letzte Gedicht thematisch mit der Melancholie schloss, mit der der Abend ja schon begonnen hatte, fand der Gedichtvortrag einen gelungenen Abschluss. Ein letztes Lied erklang.

Schließlich überreichte man Blumen und lud alle Gäste an den Büchertisch sowie zu einem kleinen Essen in einem nahegelegenen Restaurant ein, um diesen Zeitpunkt zwischen Tag und Nacht noch nicht enden zu lassen.  DANIELA GEIS


Susanne Neiss "Sometimes"

Rezension von Matthias Roth, RNZ Heidelberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Susanne Neiss vor ihrer Fotoserie „Sometimes“ (2020), die zum ersten Mal gezeigt wird. Die Ausstellung in der GEDOK-Galerie Heidelberg läuft bis 16. Oktober. Foto: MR.

"Oft ist es besser, nicht gleich zu wissen, was man sieht." Warum? "Weil man dann genauer hinschaut." 

Das Gespräch in der Gedok-Galerie am Römerkreis in Heidelberg nimmt viele überraschende Wendungen. Die Künstlerin Susanne Neiss, in Worms geboren und ausgebildet in Mannheim an der Hochschule für Gestaltung (später: für Grafik bzw. neuerdings "für Kommunikationsdesign"), fotografiert. Aber ihre Fotografien sehen selten wie Fotos aus und spiegeln schon gar nicht das ästhetische Ideal heutiger Handy-Knipserei. 

Vielmehr scheinen ihre Bilder wie gemalt, mit Licht gemalt, weitgehend abstrakt, oft mehrfach verspiegelt, in der Perspektive uneindeutig. Unschärfe überwiegt, Farbtöne changieren, konkrete Objekte treten wie hinter Vorhängen aus Licht hervor. Kurz: Susanne Neiss "fotografiert" nicht im üblichen Sinn, sie macht Kunst mit Hilfe der Kamera. 

Warum so viel Unschärfe, fragen wir. "Vieles im Leben ist nicht so klar, wie wir das gerne hätten", antwortet sie. Die Wirklichkeit ist vieldeutig, die Wahrnehmung oft ungenau. Auch tagsüber: Neurologische Forschungen bestätigen, dass unser Bewusstsein am Tag gar nicht viel unterschiedlicher arbeitet als in der Nacht. Wir durchträumen auch den Tag, blenden nur das meiste aus, damit wir den Weg wieder nach Hause zu finden. Wir würden sonst wohl ziellos umherirren. 

Zum ersten Mal zeigt Susanne Neiss hier ihre achtteilige Serie "Sometimes" (2020). Sie entstand über einen längeren Zeitraum: Die ersten Bilder (obere Reihe) entstanden noch mit einer analogen Kamera, an einem heimatlichen See – als der Filmtransport plötzlich streikte. So kam es zu Mehrfachbelichtungen von einer Hütte im Freien, die nun den Grundstock der Serie bilden. 

Viel später wurden diese Aufnahmen mit digitalen Bildern eines Marmeladenunglücks auf dem Küchenfußboden kombiniert: Hier ist die Undeutlichkeit des Fotografierten so groß, dass Assoziationen fast zwanghaft in eine von der Farbe Rot dominierte Richtung gehen. Während die frühen Aufnahmen eine Außensituation zeigen, scheinen diese Bilder nach innen zu gehen und Szenen von Gewalteinwirkung zu beschreiben. Die Bilder beginnen, eine Geschichte zu erzählen, und eine relativ scharfe Kante als Diagonale weckt Erinnerungen an ein Messer: "Es sei die Geschichte eines Missbrauchs", so die Künstlerin, "zumindest eines Traumas. Das sagen jedenfalls viele, die diese Bilder zum ersten Mal sehen."

Diese Serie wird in der Heidelberger Gedok-Galerie durch nicht sehr viele andere Bilder überlagert. Nur ganz wenige Einzelstücke wählte Susanne Neiss zusätzlich aus, sie zeigen Landschaften, die von Lichtreflexen oder Spiegelungen konterkariert werden, oder einen wunderschönen Vogel vor gelbem Hintergrund: Auch hier sehen Auge und Verstand mehr, als tatsächlich da ist. Die Bewegung des Vogels, der sich von einem Ast aufschwingt, scheint bei aller Unschärfe klar erkennbar – und dennoch handelt es sich bei dem fotografierten Objekt nur um ein Loch in einem Bauzaun. Der ästhetische Reiz gaukelt uns also Realitäten vor, die so nicht existieren, und Susanne Neiss gibt Gelegenheit zur Überprüfung unserer Sinne. Die seit 1999 (Welde-Kunstpreis) mehrfach ausgezeichnete Künstlerin scheint zufrieden, wenn wir uns haben täuschen lassen. "Als ich das Foto zum ersten Mal sah, dachte ich auch, ich hätte einen Vogel fotografiert!" Manchmal ist der Künstler eben selbst überrascht von seinem Werk. 

Info: "Sometimes – Bilder von Susanne Neiss", GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 16. Oktober. 

 

 

 


 Rezension zum Vortrag von Michael Santak - Dank der neuen Klimaanlage mit Coronavirenfilter und der technischen Ausstattung der Galerie ist es jetzt möglich, multimediale Präsentationen in der Galerie zu realisieren. Die GEDOK Heidelberg freut sich über Gäste und Mitglieder, die in der Galerie Vorträge und Workshops anbieten möchten. 

 

Heidelberg: Respektlose Liebe trifft auf lieblosen Respekt - Kultur Regional - RNZ

 

Respektlose Liebe trifft auf lieblosen Respekt

Der Vortrag "Canzoni d’Amore" in der Gedok-Galerie befasste sich mit italienischen Pop-Klassikern.

16.08.2021, 18:00 Uhr Von Daniel Schottmüller

Heidelberg.

Spätestens seit Sportschau-Reporterin Jessy Wellmer die Italiener "mit einer halben Pizza" ins EM-Achtelfinale schicken wollte, ist Vorsicht geboten, was platte Italien-Klischees angeht. Das macht die Aufgabe für Michael Santak nicht gerade einfach. Der Literaturwissenschaftler hat sich an diesem Sommerabend in der Heidelberger Gedok-Galerie die Aufgabe gestellt, ausgerechnet die Sorte italienischer Liebeslieder zu kommentieren, die direkt ins Ohr geht, aber von Liebesklischees nur so trieft.

Bei seinen Textanalysen, die von A wie Adriano Celentano bis Z wie Zucchero kaum einen der großen italienischen Popstars ausklammert, wahrt der Mann mit der Brille einen distanzierten Blick. Als es gegen Ende seines 90-minütigen Vortrags dann aber um den italienischen WM-Song "Un’ Estate Italiana" von Gianna Nannini und Edoardo Bennato geht, kann auch der Wissenschaftler nicht mehr an sich halten: Santak lässt die italienischen Einsprengsel nur so auf sein Publikum herabprasseln, während er von der "Squadra Azzurra", dem "Catenaccio" und – das hätte Jessy Wellmer sicher nicht fertiggebracht – vom "Calcio di punizione" (Strafstoß) schwärmt.

Ja, irgendwie wollen wir Deutsche halt einfach mitspielen, wenn wir nur lange genug in Kontakt mit der Sprache und dem Lebensgefühl der Italiener kommen. Diese Faszination zeigt sich bei "Canzoni d’Amore" nicht nur an den trotz heißer Temperaturen voll besetzten Stuhlreihen in der Römerstraße 22. Sondern auch an den Liebesbeweisen deutscher Vorzeigedenker, mit denen Michael Santak seinen Vortrag einleitet: "Ein tieferes Gefühl für die hohe Würde der Kunst", attestierte Johann Wolfgang von Goethe den Italienern. Friedrich Schiller wiederum schwärmte vom "Glanzgewimmel" im "zweiten Himmel": Rom. Das einprägsamste Zitat, das Santak mitgebracht hat, ist allerdings keinem bekannten Urheber zuzuordnen: "Die Deutschen lieben die Italiener, aber sie schätzen sie nicht. Die Italiener schätzen die Deutschen, aber sie lieben sie nicht."

Wer weiß, vielleicht könnte der erste dieser Sätze sogar auf den Vortragenden selbst zutreffen. Diesen Eindruck gewinnt man zum Beispiel, wenn Santak Eros Ramazzotti als "Soft Macho" bezeichnet oder bezweifelt, dass Zucchero unter der Trennung von seiner Ehefrau gelitten hat ("wer’s glaubt, wird selig"). Immer wieder fühlen sich daher im Laufe des Abends Frauen im Publikum berufen, ihre Lieblingssänger gegen solche Spötteleien zu verteidigen. Zu einem Bruch kommt es aber nicht. Spätestens wenn Santak "Azzuro", "Senza Una Donna" oder "Con te partirò" ablaufen lässt, singt der ganze Saal geschlossen mit.

Jeweils im Anschluss liefert der Literaturwissenschaftler die deutsche Übersetzung und seine persönlichen Textinterpretationen mit. So sei etwa der Name der Angebeteten im Falle von Neks rockigem "Laura non c’è" nicht zufällig gewählt: Santak erinnert an den Renaissance-Dichter Francesco Petrarca, der im 14. Jahrhundert seiner Liebe zu "Madonna Laura" in 366 sehnsuchtsvollen Gedichten Ausdruck verliehen hat. Die aus der verweigerten Liebeserfüllung resultierende Spannung spiegelt sich für Santak auch im Text des Popsongs. Die Selbstinszenierung Eros Ramazzottis in "Cose della vita" verknüpft der Wissenschaftler dagegen mit Don Giovanni aus der gleichnamigen Mozart-Oper: In beiden Fällen habe man es mit selbstbewussten Herzensbrechern, vielleicht sogar mit moralischen Anti-Helden zu tun.

Die größte Überraschung des Abends präsentiert Santak aber zweifelsohne mit "Ti Amo". Gegen die deutsche Übersetzung von Umberto Tozzis Originaltext liest sich Howard Carpendales Variante ziemlich langweilig. Warum? Weil sich Tozzi als "Toilettenpapierkrieger" bezeichnet – als Schmetterling, der am Busen seiner Geliebten zittert. Alles andere als ein Macho, wie Santak feststellt. Für ihn werden in diesem Text aus den Siebzigern bereits die Erfolge der Frauen-Emanzipationsbewegung sichtbar. Ein schöner Kontrast zu den selbstgefälligen Liebhabern aus den vorherigen Songs – und ein Klischeebruch, der diesen unterhaltsamen Abend wohltuend abrundet.


GEDOK-Galerie, Matthias Roth, Monika Maier-Speicher
Monika Maier-Speicher in der Ausstellung "Remembering Iceland", Foto Matthias Roth

RNZ | Feuilleton am 05.05.2021

"Remembering Iceland" in der Gedok-Galerie

Monika Maier-Speicher stellt neue Acryl-Landschaften aus - "Was ich male, sind innere Bilder"

Von Matthias Roth

Heidelberg. Man ist versucht, die Regenjacke zuzuknöpfen, sobald man die Gedok-Galerie in der Heidelberger Römerstraße betritt. Denn drei großformatige Arbeiten von Monika Maier-Speicher überraschen den Besucher mit schäumender Gischt und spritzenden Wassermassen. Man hört es rauschen, wenn man diese Bilder betrachtet, die jeweils ein mal ein Meter messen. Sie entstanden in Maier-Speichers Atelier in St. Ingbert im Saarland, aber die Eindrücke, die hier mit Acrylfarbe eingefangen sind, stammen aus Island. "Remembering Iceland" heißt denn auch die Schau, die jetzt im Ausstellungsraum der Gedok zu sehen ist.

2008 war die Malerin zum ersten Mal auf der Insel, auf der Eis und Lava ein in der Welt einmaliges Schauspiel bieten. "Damals war Island noch nicht touristisch gestylt, aber an der Insel wird auch immer noch gebaut: Die Vulkane verändern viel", betont die Künstlerin im Gespräch. Viele Male haben sie und ihr Mann das Eiland inzwischen besucht, dennoch malt Monika Maier-Speicher ihre Bilder stets zu Hause. Allenfalls Skizzen fertigt sie an - oft im Auto, während ihr Mann einsame Pisten befährt. "So entstehen irreale Landschaften auf dem Zeichenblock, denn die Strecken sind sehr holprig." Ein erster Schritt zur Abstraktion der tatsächlichen Gegend, ein künstlerisches Sichentfernen von der reinen Abbildung. "Was ich male, sind innere Bilder", sagt sie, und die zackigen Skizzen helfen, die reale Umgebung in ein künstlerisches Bild zu überführen. 

So wirken viele ihrer Bilder eigentlich gegenstandslos. Tritt man aber zurück, sieht man schroffe Felsen, herabstürzende Bäche, wirbelnden Wasserdampf. Starke Naturkräfte prägen den Gestus dieser Arbeiten. Aber Monika Maier-Speicher, die 1953 in Singen geboren wurde und die "die Liebe" ins Saarland verschlug, malt auch kleinere Formate, etwa Miniaturen von 7,5 mal 7,5 Zentimetern. 

Das Quadrat ist in den neueren Landschaftsbildern das überwiegende Format. "Man muss nur eine Querlinie ziehen, schon sieht jeder Betrachter eine Landschaft." Dabei beginnt die Malerin oft mit unkonkreten Vorstellungen, trägt Farbe auf die Leinwand auf, etwa ein Magenta-Rot, und lässt den Pinsel die Hand führen: "Der Flow ist wichtig", sagt sie, und oft ist am Anfang unklar, wo dieser Flow hinführt. Dabei arbeitet die ausgebildete Malerin, die nach Studium in Weingarten und Karlsruhe Jahrzehnte im Schuldienst tätig war und erst danach in Kunstgeschichte promovierte, stets in Serien. "Ich male immer an mehreren Bildern gleichzeitig." Nur der Farbklang bleibt dann erhalten: etwa aus Magenta, Türkisgrün, Ocker und Schwarz.

Monika Maier-Speicher sieht sich selbst als Landschaftsmalerin und nennt Cézanne als ihr großes Vorbild. Aber einige Mini-Serien widmet sie auch Künstlerkollegen, mit denen sie sich während des Studiums befasste: Otto Greis oder Albert Weisgerber, der in St. Ingbert geboren wurde. Andere "Minis" bilden seltsame Wesen ab: "Auf Island gibt es ein Ministerium für Trolle und Feen", erzählt sie, "und manche Leute sehen sie hier in diesen kleinen Bildern."

      Info: Gedok-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 5. Juni.


GEDOK Galerie , Matthias Roth, Anette Riebel-Mehne
Wenig Bewegung in Zeiten von Corona: Eine Arbeit, die auf Wind reagiert. Foto: MR.
Portrait Anette Riebel-Mehne
Portrait: Anette Riebel-Mehne in der Gedok-Galerie. Foto: MR

Anette Riebel-Mehne zeigt "Allesdinge"__

Der Wind zeichnet zarte Linien - Neue Werke der Konzept-Künstlerin

  

Von Matthias Roth

Heidelberg. Künstler, so eine romantische Vorstellung, haben stets das Bedürfnis, sich auszudrücken, sich in den Vordergrund zu stellen, ihren Gefühlen und Gedanken freien Lauf zu lassen. Man täuscht sich, denn das ist mitnichten immer der Fall. Manchmal treten sie auch ganz hinter ihr Werk zurück, verschwinden fast als schaffende Persönlichkeit neben ihren Kreationen. Die aus Bensheim stammende, in Darmstadt und Trier zur Druckgrafikerin ausgebildete und in Weinheim lebende Künstlerin Anette Riebel-Mehne gehört in diese Kategorie von Kunstschaffenden, die konzeptuell arbeiten und sich als Person gern in den Hintergrund stellen. Das liest man schon an der Wahl der eher unscheinbaren Objekte ab, die sie für ihre Arbeit aussucht, und das sieht man an einigen Werken, die sie jetzt in der Gedok-Galerie in Heidelberg zeigt.

Da hängt zum Beispiel ein Tintenschreiber an einem Stoffband von der Decke, die Spitze berührt knapp den Boden, auf dem ein Blatt Papier liegt. Ein schwarzer Fleck hat sich ausgebreitet, der von hauchdünnen Linien umgeben ist. Auch an anderen Stellen haben sich kleine Flecke auf dem Papier gebildet. "Es ist relativ ruhig derzeit", sagt die Künstlerin, als wir sie in der Galerie besuchen, "es kommen nicht viele Besucher." 

Man stutzt: Ist das eine Erklärung für die hier wie von selbst entstehende Zeichnung? Ja. Denn immer wenn die Tür aufgeht oder Leute an dem von der Decke hängenden Band vorbei laufen, bewegt es sich vom Luftzug. Der Wind macht diese Zeichnung, und wir sehen andere Blätter, die am Tag der Eröffnung entstanden sind und Leute kamen und gingen: Sie sind in der Bewegung heftiger und wesentlich reicher an Linien und dunklen Flächen. "Das ist Corona", denken wir laut, denn die Pandemie hindert die Leute daran, sich das näher anzusehen, und so bewegt sich kaum etwas in diesem Raum. Die Künstlerin lächelt. Solche Arbeiten sind typisch für sie. Sie lässt dem Zufall Raum in ihren Werken, lässt sie wie von selbst entstehen und wendet sich gern dem "Flüchtigen, Zerbrechlichen, Ephemeren" zu, wie die Zweite Gedok-Vorsitzende, Christel Fahrig-Holm, bei der Vernissage bemerkte. Und Monika Maier-Speicher lenkte den Blick auf die "unentdeckten und deshalb unbeachteten Zustände", denen sich die Künstlerin zuwendet. "Der Moment, der Augenblick erfüllt mich", bestätigt Anette Riebel-Mehne. Das habe sie in einem Begleitprogramm zum Studium erfahren, das "Playing Arts" hieß: Hier ging es darum, spontan auf etwas zu reagieren, ohne groß darüber nachzudenken. Hier habe sie entdeckt, dass neben dem Beruf der Grafik-Designerin, der sehr viel Konzentration erfordert, doch auch noch etwas ganz anderes in ihr schlummert, nämlich die Lust, besondere Augenblicke zu provozieren. 

In der jetzigen Ausstellung mit dem Titel "Allesdinge" zeigt sie aber auch großformatige Fotografien, Detailaufnahmen, die mit der Tiefenschärfe operieren. Streifen von Wellpappe, ein verdrehtes Stück einer Plastikflasche oder Ansichten eines aus Pappe gefertigten Behältnisses sind höchst kunstvoll ins Licht gesetzt. Hier ist wenig bis gar nichts dem Zufall überlassen. 

Gänzlich unpolitisch ist Anette Riebel-Mehnes Kunst auch nicht: Ein mit Schillers "Glocke" bedrucktes Tuch, das fast achtlos am Boden liegt, weist auf die Rolle der Frau im 19. Jahrhundert hin sowie auf die Tatsache, dass sich in den Gedok-Räumen früher eine Wäscherei befand. Eher grafisch sind die Spuren, die ein in Tusche getauchter Teebeutel oder die an Holzspießen befestigten Kohlestücke hinterlassen, wenn man sie über Aquarellpapier zieht: Kurze Videofilme zeigen die Vorgänge, und erstaunlich sind die an Landschaften gemahnenden Ergebnisse. In einem Setzkasten finden sich dann allerlei Objekte, deren Unscheinbarkeit an die "arte povera" erinnern. Aber auch andere Assoziationen drängen sich auf: etwa an die Kunst des Zen oder die grafischen Arbeiten eines John Cage, der das künstlerische Ego komplett aus der Kunst zu verbannen suchte. 

Info: Gedok-Galerie Heidelberg, 22, bis 24. April. Anmeldung erwünscht mit E-Mail an info@gedok-heidelberg.de.

 


Räume der Erinnerung

Juliana Jaramillo und Margret Elsmeier-Stripf lassen Objekte und Druckgrafik in der GEDOK-Galerie Heidelberg in Dialog treten

 

Von Julia Behrens  RNZ vom 12.12.2020

 

Sie passen erstaunlich gut zusammen: Die Keramiken von Juliana Jaramillo und die Grafiken von Margret Elsmeier-Stripf, die zurzeit in der Ausstellung „Von Menschen und Dingen“ in der Heidelberger GEDOK-Galerie in der Römerstraße zu sehen sind. Die Werke bewegen sich in einem interessanten Spannungsfeld zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion und harmonieren stellenweise auch farblich miteinander. Da schwebt zum Beispiel ein Duo von Radierungen in Form von gelben und grauen „Steinen“ über einer schwarz-gelb-grau gestreiften Schale im Schaufenster des ehemaligen Ladengeschäfts.

Juliana Jaramillo stammt aus Kolumbien. Sie studierte dort Architektur und arbeitete in den USA, bevor sie vor gut 30 Jahren nach Deutschland kam. In ihre Kreationen aus Ton fließt viel von dieser kulturellen und beruflichen Herkunft mit ein. So finden sich beispielsweise präkolumbische Strömungen in den figurativen Stücken, die ­­­wie zwei „Köpfe (Sinne)“ in Weiß und Dunkelgrau stark stilisiert und – entfernt an die Moai-Statuen der Osterinseln erinnernd – entpersonalisiert wirken. In den beiden Häuptern sind anstelle von Ohren Schlitze zu sehen, die den Hohlraum des Innen auf fragile Weise mit dem Außen durch den symbolisierten Sinn des „Hörens“ verbinden.

Wie Jaramillo im Gespräch betont, ist jede skulpturale Form in ihrem Werk auch Ausdruck von Emotion, selbst die auf den ersten Blick abstrakt erscheinende Keramik. In ihr spielt sie mal streng geometrisch, mal organisch mit architektonischen Aspekten wie Offenheit, Geschlossenheit und Statik und lässt die Gefäße in diversen farbigen Tonarten und Engoben zu subtilen Räumen der Erinnerung werden.

Auch im Fall der Grafiken von Margret Elsmeier-Stripf verbindet sich die Drucktechnik auf besondere Weise mit dem Inhalt. In ihren Arbeiten kombiniert die in Nußloch lebende Künstlerin oft mehrere Verfahren, wie etwa Monotypie und Kaltnadelradierung, die sie auf einer Kupferplatte ausführt. Die schwarzen, meist abstrakt angelegten Konturen des Tiefdrucks überträgt sie gern von verschiedenen Seiten aus auf ein Blatt. Sie addiert sie teils mit Farbflächen, teils mit Figuren und erzielt dadurch ein bewegt-ausgewogenes Erscheinungsbild.

Elsmeier-Stripf schöpft nach eigener Aussage aus den unterschiedlichen Verfahren und handwerklichen Schritten, die beim Druck immer ein Stückweit vom Zufall bestimmt werden, viel Inspiration. Für sie haben die künstlerischen Spuren, die sie auf ihren Druckplatten hinterlässt, viel von den Spuren, die Menschen durch ihre Geschichte in sich tragen. Genauso unauslöschlich wie sich Erfahrungen ins Gedächtnis einer Person hineinfräsen können, verbleiben die Furchen und Linien von Nadel oder Säure auf der Kupferplatte.

 

Von Menschen und Dingen. Margret Elsmeier-Stripf / Juliana Jaramillo. Bis 09. Januar 2021. GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, 69115 Heidelberg, Aktuelle Öffnungszeiten unter: www.gedok-heidelberg.de. Diesen Sa (12.12.) 11-16 Uhr sowie nach Vereinbarung unter 015753571524.


RNZ  28.10.2020, 

Inspiriert von fremden Kulturen

Raingard Tausch zeigt Drahtobjekte, Zeichnungen und Malerei in der Heidelberger Gedok-Galerie am Römerkreis.

Raingard Tausch in der Heidelberger Gedok-Galerie am Römerkreis. Foto: MR.

 

 


Von Matthias Roth

 

Heidelberg. Metall ist ein störrischer Stoff, den nicht viele Künstler lieben. Raingard Tausch hingegen, die derzeit in der Gedok-Galerie Heidelberg ausstellt, hat eine sehr alte Verbindung zu diesem: Als kleines Kind durfte sie, geboren 1949, mit in eine Stahlgießerei gehen - ein Eindruck, den sie nie mehr vergessen hat. Ihre jetzige Ausstellung zeigt "Annäherungen", und Drahtobjekte und Zeichnungen von diesen bilden das Zentrum.

Nach einer längeren Pause setzte die Künstlerin, die ihr Atelier in Handschuhsheim hat, im Corona-Lockdown ihre Arbeit mit Drahtgeweben fort, die sie selbst herstellte. "Das ist ein teilweise mühsames Weben oder Häkeln, bis so ein Gebilde entsteht", sagt Raingard Tausch im Gespräch, "und mein Webstuhl ist mehrfach kaputt gegangen bei der Arbeit." Draht ist eben kein Baumwollfaden, aber die so entstandenen Objekte haben trotz ihrer Steifheit etwas sehr Leichtes und Filigranes. 

Es entstanden einige größere Objekte, aber auch kleine Gewebe und Skulpturen, die sie auf weißen Malgrund legte, um dann ihre Schatten zu zeichnen, mit Tusche oder Woody-Stift. Es sind zarte Linien, die die Objekte spiegeln, sie bilden gebogene Gitter oder Netze von großer Plastizität. Man ist versucht, prüfen zu wollen, ob man seinen Augen trauen kann. 

Auch größere Zeichnungen weisen solche Strukturen auf, ohne dass sie direkt mit Draht verbunden sind. Aus der Ferne wirken die größeren Formate auch wie Landschaften - und: "Ja, mit der Landschaft habe ich angefangen, mit Aquarellen, Ende der 1980er Jahre", sagt sie schmunzelnd. Bei Karl-Peter Müller in Maximiliansau erhielt sie (nach einem Sprachstudium) ihre künstlerische Ausbildung, und dieser habe sie oft in die Landschaft geschickt, um zu zeichnen oder zu malen. Dann hatte sie ihr erstes Gemeinschaftsatelier in der ehemaligen Schokoladenfabrik Haaf, ab 1995 konnte sie eine ehemalige Schlosserei in Handschuhsheim für ihre Zwecke nutzen. 

Beeinflusst und inspiriert haben sie neben dem Metall aber auch andere Dinge: etwa die Kulturen außereuropäischer Länder oder der menschlichen Frühgeschichte. In Asien, Afrika oder Nord-, Mittel- und Südamerika begegneten ihr alte und neue Malstile, die sie prägten: Man sieht das deutlich an drei relativ großen Formaten aus früheren Jahren, die sowohl an chinesische Tuschemalerei als auch an die Höhlen von Lascaux denken lassen und deren Farbgebung mit Kaffee und rotem Saft auf Seidenpapier entstanden ist.

Raingard Tausch wendet sich in neueren Arbeiten vermehrt der Malerei zu. "Langsam reizt mich wieder die Farbe, nach einer langen Phase schwarz-weißer Zeichnungen", sagt sie. Es entstehen dabei auch wieder Themen von eher gegenständlicher Art: Etwa wenn sie Flüchtende im Gebirge oder Hühner auf dem Hof in Tusche festhält - und dann mit Kaffee laviert. "Die Hühner sind derzeit meine Lieblinge: Ich glaube, ich kann sie nicht hergeben!" Da ist bei Interesse wohl etwas Überredungskunst nötig.

 

Info: Gedok Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 21. November. Geöffnet Mi-Fr 16-19 Uhr, Sa 11-14 Uhr.


"Zerbrechliche Architekturen"

GEDOK-Galerie zeigt sehr unterschiedliche Arbeiten dreier Künstlerinnen

Die Künstlerinnen kommen zwar aus Temeswar in Rumänien. Das ist aber schon ihre einzige Gemeinsamkeit

28.09.2020, 06:00 Uhr Rhein-Neckar-Zeitung

Linda Saskia Menczels „Alchimist“ in Bronze ist in der Gedok-Galerie zu sehen. Foto: MR.

Von Matthias Roth

Heidelberg. Die drei Künstlerinnen, die derzeit in der GEDOK-Galerie in der Heidelberger Römerstraßeausstellen, haben gemeinsam, dass sie aus Temeswar im Westen Rumäniens kommen. Aber ihre Kunst hat wenig Verwandtschaften und spricht eine jeweils sehr individuelle Sprache. Dennoch fanden sie ein verbindendes Thema: "Zerbrechliche Architekturen" nennen sie die Schau, die ein Austauschprojekt fortsetzt, das vor drei Jahren gestartet wurde mit einer Ausstellung von Heidelberger Künstlerinnen mit rumänischen Wurzeln in Temeswar

Dass die jetzige Präsentation überhaupt möglich wurde, ist ein schieres Wunder. Allein die gewichtigen Bronzeplastiken von Linda Saskia Menczel, Jahrgang 1972, bringen nicht nur viel auf die Waage, sie stellen auch einen hohen Wert dar und mussten aufwendig aus Rumänien transportiert werden, wie die zweite Vorsitzende der Heidelberger GEDOK, Liliana Geiss, zu erzählen weiß. 

Dabei wirken diese Skulpturen materialbewusst und bodenständig, obwohl sie oft spirituell inspiriert sind. Religiös im konkret kirchlichen Sinne sind sie aber nicht, wie der "Alchimist" beweist, der – im Innern hohl – nur als umhüllender Stoff, als Schimäre einen Schatz bewacht. Das ist aufwendig gefertigt und zeugt von exzellentem handwerklichen Können. Auch Materialkombinationen von Bronze und Holz in einigen Pyramiden, die mit hebräischen Schriftzeichen versehen sind, oder ein glänzendes Auge, das im Galerie-Schaufenster den Betrachter zu beobachten scheint, zeugen von exquisitem Materialverständnis. Die Künstlerin studierte als einzige auch außerhalb ihrer Heimat, nämlich in Johannesburg/ Südafrika. 

Demgegenüber sind die die monochromen Ölbilder von Dana Constantin (geboren 1962) im Format 40x40cm in sich verschlossener, auch wenn sie naturhafte Elemente einbinden. Doch diese Quadrate sind auch von geometrischen Linien durchzogen, die zumindest ein zerbrechliches Gleichgewicht andeuten. 

Die Malerin Adriana Lucaciu, 1965 geboren, rastert ihre ebenfalls quadratische, weiß grundierte Malfläche von 1x1 Meter in fünf mal fünf oder mehr gleichgroße Quadrate und zeichnet in diese meist kauernde Figuren oder Paare, die wie in einer Kiste gefangen sind, die jede für sich aber ein Eigenleben führen. Die Anordnung scheint seriell, aber die wie Studien daherkommenden Zeichnungen sind individuell ausdifferenziert. 

Ein Gefangensein wird deutlich thematisiert. Auf zwei dieser Leinwände liegen bunte Kugeln bereit, als handele es sich um ein Spiel, bei dem die im Raster von allen Seiten beengten Figuren zum Abschuss freigegeben sind. Das birgt etwas latent Gefährliches und auch Unheimliches. In anderen Bildern ("Impossible Space") scheinen die Extremitäten der Figuren in Fächern sortiert oder wie im Theater vom Schnürboden herabgelassen. Dabei ist hier nichts im Dunkel versteckt, sondern alles strahlend hell auf weißem Grund ausgebreitet. 

Die Künstlerin befasst sich in ihren Arbeiten meist mit der menschlichen Figur, und so sind auch diese Bilder sicher im Kontext ihres Œuvres zu dechiffrieren. Leider war aber für alle drei Künstlerinnen an eine Reise derzeit nicht zu denken, und so sind auch solche Projekte offenbar "Zerbrechliche Architekturen".

Info: GEDOK-Galerie, Römerstraße 22 in der Heidelberger Weststadt, bis 17. Oktober.

 


Mannheimer Morgen, 11.8.2020
Mannheimer Morgen, 11.8.2020

Andrea Lossen stellt in der Gedok-Galerie am Heidelberger Römerkreis aus. Foto: MR.

Von Matthias Roth

Heidelberg. Anspruchsvolle Reise- und Landschaftsfotografie hatte es nie leicht. Das Erinnerungsbild aus der Kamera gehört seit dem 19. Jahrhundert fast in jede Familie, und heute, da scheinbar jeder Flecken dieser Erde schon einmal von einem Handy erfasst wurde und die technische Bildqualität der Schlaufone derart zugelegt hat, ist die Versuchung selbst für ambitionierte Fotografen groß, ihr schweres Gerät zuhause zu lassen und Reisebilder nur noch zu knipsen.

Für Andrea Lossen kommt dies jedoch nur selten in Frage. Die Tochter des Heidelberger Fotografen Wolfgang Lossen wuchs im Fotolabor ihres Vaters auf (das sie nicht sehr mochte), aber mit dem Durchbruch der Digitalfotografie wurde sie selbst zur begeisterten Fotografin. In der Heidelberger GEDOK-Galerie zeigt sie nun Landschaftsbilder aus Neuseeland.

Mehrfach hat sie das ferne Land besucht, zuletzt im vergangenen Winter, wenn dort der Sommer blüht. Ihr Mann Dieter Giesen schrieb zwei Reiseführer zum Thema "Mit dem Wohnmobil durch Neuseeland", die Andrea Lossen bebilderte. Daher sind wohl auch die hier gezeigten Aufnahmen alle in Farbe und perfekt ausgeleuchtet.

Das scheint zunächst wenig spektakulär: Eine hügelige Weide voller Schafe, zart rosa gefärbte Sandstrände aus der Vogelperspektive oder ein verschlungenes Flussdelta, das in einen türkisfarbenen See mündet - solche Bilder scheinen die Klischees von Unberührtheit zu erfüllen, die man mit den Inseln verbindet. Andrea Lossen benutzt für solche Aufnahmen auch Drohnen oder bessert am Bildschirm nach - aber: "Dieser See hat wirklich diese unglaubliche Farbe!"Es brauchte Zeit und Muße, die natürliche Farbe unverfälscht auf dem Aluminium-Träger wiederzugeben.

Auch bei der Aufnahme, die der Ausstellung den Titel "Aotearoa" gab (das bedeutet in Maori-Sprache "Land der langen weißen Wolke"), kann man diese Liebe zum Detail sehen: Hier spiegeln sich die Wolken im feuchten Sand, und das geringste Kräuseln der Wasseroberfläche zieht sich wie dünne Linien durch das Bild. Solche Akribie in Bildausschnitt und formaler Balance heben diese Fotografie über den üblichen "Schnappschuss" hinaus, denn hier geschieht nichts zufällig. Für den "Lake Matheson" ging die Fotografin denn auch frühmorgens auf die Pirsch, da "später am Tag Wind und Wellen die Spiegelungen verhindern."

Auch Makro-Aufnahmen präsentiert die Fotografin in der Galerie, zum Teil in großen Hochformaten: Die faszinierenden Details lassen den Betrachter staunen.

Info: GEDOK-Galerie Heidelberg, bis 5. September, Freitag und Samstag 17 bis 21 Uhr.

 



Heidelberger Gedok-Galerie  07.05.2020, 06:00 Uhr  RNZ

Schwieriges Thema ausdrucksstark verarbeitet

"Rosengarten voller Dornen" - Ausstellung zum Thema Gewalt und Missbrauch in der Heidelberger Gedok-Galerie wieder zugänglich. Für die Sicherheit ist gesorgt: Die Malerin Agnes Pschorn in der wieder geöffneten Heidelberger Gedok-Galerie. Foto: MR.

 

Von Matthias Roth

Heidelberg. Sie dürfen wieder öffentlich zeigen, was sie präsentieren (und verkaufen) wollen, in Räumen, die man "analog" begehen muss und mit Kunst, die man anfassen könnte. Quasi greifbar, wirklichem Licht ausgesetzt, und den Größenverhältnissen, den "Schwingungen" der Realität ausgeliefert: Die Galerien haben endlich wieder geöffnet – die meisten jedenfalls.

"Wir sind sehr froh, wieder öffnen zu dürfen, wenn auch mit Einschränkungen", so die Vorsitzende der Heidelberger Gedok, Dorothea Paschen, beim ersten Wieder-Besuch der Galerie in der Weststadt. Die Vernissage der Ausstellung "Rosengarten voller Dornen", die die Malerinnen Agnes Pschorn und Christiane Doran sowie die Performerin Hanna Schimka zusammenstellten, hatte am Welt-Frauentag noch stattfinden können, die Schau selbst musste dann aber kurz darauf aufgrund der Corona-Verordnungen geschlossen werden. "Wir waren zwar im Internet präsent und stellten da auch einzelne Werke vor", so Paschen, "aber es ist nicht dasselbe."

Zumal es sich meist um Großformate handelt, die erst im konkreten Raum richtig zu ermessen sind, wie man jetzt wieder (unter gegebenen Sicherheitsvorkehrungen) sehen kann. Das Thema der Schau dreht sich um Missbrauch von und Gewalt gegen Frauen und Kinder. Janna Schimka hatte zur Vernissage in einer Performance gezeigt, wie existenziell bedrohlich und lebenslang wirksam sich sexueller Missbrauch auswirkt. Ein Thema, das durch den Corona-Lockdown nicht weniger aktuell geworden ist, vermutet die aus Rumänien stammende Künstlerin Agnes Pschorn. Sie hat in ihrer Heimat ein Kunstgymnasium besucht, dann aber Medizin studiert und ist in Deutschland seit 1976 hauptberuflich als (Kinder-) Ärztin tätig. Die Malerei hat sie daneben immer weiter betrieben und dies auch seit Beginn dieses Jahrhunderts in zahlreichen Ausstellungen zeigen können. Die drei Künstlerinnen lernten sich in einem Offenen Atelier in Mannheim kennen und planten bald eine Zusammenarbeit zum Thema "Missbrauch" – keine leichte Aufgabe. So dauerte es gut eineinhalb Jahre, bis jede etwas dazu beitragen konnte. Agnes Pschorn hat als Ärztin, die Jahre lang Patientinnen im Mannheimer Frauenhaus betreute, einen teils psychologischen, teils kraftvoll gestischen Zugang zum Thema gefunden. In drei klassisch figurativen Gemälden zeigt sie Frauen in äußerster Bedrängnis, oder Kinder, die mit apathischem Blick auf dem Boden liegen. Auf der anderen Seite trägt sie auch stark expressive Bilder in Rot und Schwarz bei, die fast aggressiv gewalttätige Situationen zeigen, wobei die Figuren hier nicht klar umrissen sind.

Christiane Doran arbeitet aus der Aktzeichnung heraus. Die Farben Blau, Gelb und Weiß gehen dabei viele Variationen ein. Der malerische Gestus tritt stark hervor, die Farbflächen scheinen zu vibrieren, wobei die Figuren deutlich hervorscheinen: Sie liegen erschöpft, vielleicht gequält auf dem Bett, während die Welt um sie herum in sich zusammenzustürzen scheint.

Info: Gedok Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, verlängert bis 29. Mai.

 


Eines von vielen Werken auf dem Online-Kalender der Heidelberger GEDOK: das Gemälde „Besuch im Café Gilli in Florenz“ der Künstlerin Christel Fahrig-Holm. Repro: RNZ

 

Heidelberger GEDOK

Für jeden Tag ein neues Werk - Künstlerinnen starten Online-Kalender.  Jedes geöffnete Türchen gibt den Blick frei auf neue Impressionen und künstlerischen Darstellungsformen.   RNZ   6.4.2020

 

Heidelberg. (voe) Jeden Tag kann online ein neues Türchen geöffnet werden – wie beim Adventskalender. Auf diese Weise präsentieren die Künstlerinnen der Heidelberger GEDOK ihre Werke und überraschenden Ideen, obwohl die Galerie der Künstlerinnen-Gesellschaft an der Römerstraße wie so viele andere Kulturstätten auch geschlossen werden musste. Jedes geöffnete Türchen gibt den Blick frei auf neue Impressionen und künstlerischen Darstellungsformen. Gemälde und Grafik gehören genauso dazu wie Fotografien oder der Lyrikpodcast "Running against the Wind" von Heide-Marie Lauterer.

Natürlich kann man per Mausklick auch zurückblättern, um die Werke der Vortage zu begutachten. Besonders eindringlich wirkt in Corona-Zeiten das Gemälde, das für den 2. April ausgewählt wurde: Christel Fahrig-Holms "Besuch im Café Gilli in Florenz". Das menschenleere Interieur wird vor der GEDOK in der Hoffnung gezeigt, dass bald wieder heiter gestimmte Besucher kommen und unbeschwerte Gespräche führen können.

Eine ganz andere Seite schlägt die Schauspielerin Helga Karola Wolf mit dem von ihr ausgewählten Eugen-Roth-Gedicht "Hilflosigkeit" über das Niesen auf. Nachzulesen sind die ironisch-doppeldeutigen Verse, die durch die Corona-Pandemie eine bislang ungeahnte Wirkungskraft entfalten, hinter dem Türchen des 4. April. Lassen wir uns überraschen, was die GEDOK für das heutige Datum ausgewählt hat. Klicken Sie auf der Homepage der Gesellschaft auf das Wort Kalender – und der Link öffnet sich.

Info: www.gedok-heidelberg.de

 


Musikerin Luna Martina Pracht im Licht von Nils Herbstrieth in der GEDOK-Galerie. Foto: MR
Musikerin Luna Martina Pracht im Licht von Nils Herbstrieth in der GEDOK-Galerie. Foto: MR

 

Im Sog der Lichtklänge         RNZ 17.01.2020

Nils Herbstrieth und Luna Martina Pracht in der GEDOK Galerie Heidelberg

Von Matthias Roth

Heidelberg. Es gibt Komponisten, die Klänge in Farben sehen. Olivier Messiaen zum Beispiel hatte diese Gabe. Unter Malern ist das umgekehrte Phänomen ebenfalls verbreitet, sie hören "Farbklänge". Wissenschaftlich gesehen handelt es sich bei beiden Künsten um Wellen, beim Ton genauso wie bei Licht und Farbe. In der Heidelberger GEDOK-Galerie, wo seit Anfang Januar der Abend zum leuchtenden Tag wird, entfachten Licht und Klang, Farbe und Akustik jetzt einen betörenden Tanz.

Es war eine Premiere, denn der Lichtkünstler Nils Herbstrieth und die Musikerin und Klangtherapeutin Luna Martina Pracht trafen hier zum ersten Mal aufeinander. Beide beteuerten nach zwei jeweils 15- bis 20-minütigen Sets, dass es aber sicher nicht das letzte Mal gewesen sein soll. Auch die Begeisterung des Publikums war groß.

Was sah und hörte man? Mit drei Beamern warf Herbstrieth unterschiedliche, sich bewegende Formen meist in Grün, Rot oder Blau, aber auch Gelb und Violett, auf die kahlen Wände der Galerie, während Pracht ihre Klänge auf ca. einem Dutzend Klangschalen, Gongs und einem großen Tamtam entfaltete.

Über Mikrofon beeinflussten diese Klänge die Bewegungen des Lichts und umgekehrt reagierte die Musikerin auf die sie umgebenden Lichtfluten. Luna Martina Pracht benutzte auch eine Querflöte und ein Saiteninstrument, das "Motako" genannt wird: Der Name setzt sich aus Monochord, Tanpura und Koto zusammen, das Instrument wird wie eine Art Harfe gespielt.

Die unterschiedlichen Frequenzen der Töne von Klangschalen, Tamtam, Flöte und Motako verursachten auch unterschiedliche Farb- und Formmuster der Projektionen. Im Künstlergespräch, das Liliana Geiss führte, die auch die herzliche Begrüßung der Gäste vorgenommen hatte, gestand der Lichtkünstler, dass die aufeinander wirkenden Einzelparameter des Computerprogramms so komplex seien, dass jede Art bewusster Steuerung eigentlich auszuschließen ist: Die Eingriffe, die er, der musikalischen Improvisation folgend, am PC live vornimmt, lassen sich in ihren Auswirkungen nicht wirklich kontrollieren.

Herbstrieth, eigentlich Architekt, ist auch unter dem Künstlernamen Simraysir bekannt und arbeitete unter anderem mit dem Heidelberger Unterwegstheater bei diversen Tanzproduktionen zusammen. Doch auch diese reiche Erfahrung nütze wenig: Es bliebe stets ein Rest Unberechenbarkeit oder Chaos. Oder eben künstlerischer Intuition: So entstand ein faszinierender Dialog der Künste. 

Herbstrieths Lichtinstallation "Spektrum" ist in der GEDOK Galerie Heidelberg (Römerstraße 22) abends noch bis 19. Januar zu sehen.


 Sabine Schreier: Keine Zeit heilt Deine Wunden ; Acryl , Mischtechnik
Sabine Schreier: Keine Zeit heilt Deine Wunden ; Acryl , Mischtechnik

 REZENSION der Ausstellung "Zusammenspiel"

in der RNZ vom 10.12.2019   von Matthias Roth

 

Fünf Künstlerinnen beschließen das Jubiläumsjahr der Heidelberger GEDOK mit einer Ausstellung unter dem Titel „Zusammenspiel“

 

Da ist ein roter Fleck, der irritiert. Ein Leuchtturm? Ein einsames Haus? Ein Blutstropfen? Sabine Schreiers Malerei ist selten bunt, bewegt sich oft in Graustufen, was bei genauerer Betrachtung freilich nur ein erster Eindruck ist, der sich schnell relativiert. Denn sie trägt Farben vielschichtig auf, oft fein lasierend, und schließt mit Weiß und Schwarz ab, unter dem das frühere Blau, Grün, auch Rot, durchschimmern.

Und noch etwas Merkwürdiges fällt bei näherer Betrachtung ihrer Bilder auf, die nun in einer Gemeinschaftsausstellung der Heidelberger GEDOK zum Abschluss des Jubiläumsjahres 2019 zu sehen sind: Da ist Material unter die Farbe gemischt, das man sonst nicht auf Leinwänden vermutet – Plastikfolie. Am Rand besagten Bildes mit dem roten Fleck hängt sie über. Es ist Plastik, mit der Obst eingepackt war, so die Künstlerin im Gespräch. Das gibt dem Bild einen kritischen Hintersinn, wie der Eröffnungsredner Dr. Helmut Orpel bemerkte, der neben dem Plastik auch Asche hervorhob, die die Wieslocherin unter die Farbe mischt. Aus den Bildern werden so Menetekel, denn die eisigen Landschaften bergen unseren Zivilisationsmüll (sieht man einmal von der Acrylfarbe ab, die selbst Mikroplastik enthält). Umweltkatastrophen sind jedenfalls materieller Teil dieser Bilder, das ist der Künstlerin wichtig, und der Umweltschutz ist ihr ein starkes Anliegen. Das Bild mit dem roten Fleck heißt übrigens „Keine Zeit heilt deine Wunden“ (2019).

 

Das Quadrat ist die Gemeinsamkeit, auf die sich die fünf Künstlerinnen der GEDOK für diese Ausstellung geeinigt haben. Die „landschaftlichen Anmutungen“ (Orpel), die die meist abstrakten Bilder evozieren, hätten sich so ergeben.

Vorsitzende Dorothea Paschen ließ bei ihrer Begrüßung noch einmal kurz die Veranstaltungen Revue passieren, die im Rahmen der 90-Jahr-Feierlichkeiten auch nach Bad Rappenau, Schwetzingen oder Neckargemünd führten. Flötistin Almut Werner verdeutlichte in zeitgenössischen Kompositionen das Motto der Ausstellung „Zusammenspiel“ sehr anschaulich.

 

Danuta Lattas Beiträge sind kraftvoll, farbintensiv und wirken sehr spontan. Sie sprießt, gießt, tröpfelt auf die Leinwand, aber weniger mit großer Geste als vielmehr mit gezielter Präzision. Je länger man ihre Bilder ansieht, umso fragwürdiger wird einem der erste Eindruck, dass hier alles „spontan“ geschehe beim Malakt. Ein pointillistisches Faszinosum, das den Drippings von Jackson Pollock nahekommt.

Die Ladenburgerin Sandra Obel malt dagegen mit großer Geste, viel Schwung und überhaupt keiner Scheu vor der Buntheit. Das gibt Bildern wie der „Supernova“ (2019) große Impulsivität und Kraft. Im Gegensatz dazu wirkt „Das Heft des Handelns I“ formal gezähmt, weniger berstend, wenn auch kaum harmloser: Hier brodelt es unterirdisch, und das formale Gerüst scheint durchaus fragil. Ein labiles Gleichgewicht der Emotionen, die hier ohne Frage mit Macht nach Ausdruck suchen.

 

Anna Schaberick ist neben der Malerei auch als Grafikerin und Bildhauerin tätig, und das merkt man ihrer Arbeit „In sich“ (2019) an, die diese Ausstellung neben einigen Skulpturen schmückt und die alle drei Techniken miteinander verbindet. In einem rechteckigen Kasten befindet sich ein bemaltes Quadrat neben einer schmalen hohen Figur, während der Hintergrund auf der anderen Seite eine noch vage erkennbare Handschrift zeigt. ...

 

Auch Elsbeth Lang aus Schriesheim ist mit wenigen Arbeiten vertreten: Das Zeichnerische ist bei ihr der gebende Impuls, aus dem sich die malerische Form entwickelt. So zeigt diese Ausstellung, dass „Zusammenspiel“ auch möglich ist bei fünf ausgesprochenen Individualistinnen. Nicht zuletzt haben sie auch ein Gemeinschaftswerk geschaffen, das im Schaufenster zu bewundern ist. 

  


Unser Mitglied Ruth Gross erhielt am 12.12.2019

für Ihr Wirken als Künstlerin und Unterstützerin unserer Gemeinschaft

 

den Baumgärtner-Engel - Preis

 

der Baumgärtner-Engel-Stiftung durch Herrn Dr. Till Engel.

Der Preis wird an Künstler und Künstlerinnen ab 60 Jahren verliehen.

Die GEDOK Heidelberg e.V. dankt Herrn Dr. Engel für sein Engagement und seine großzügige Unterstützung und gratuliert der Mannheimer Malerin Ruth Groß .

Ruth Groß und Dr. Till Engel
Ruth Groß und Dr. Till Engel

JOC DUBLU / DOPPELSPIEL          30.08 - 11.09  2019

 

Zwei GEDOK-Künstlerinnen, Liliana Geiss und Agnes Pschorn, präsentieren ihre Werke zusammen in einer Ausstellung mit dem Titel „ Doppelspiel“ im Rahmen eines gemeinsamen Projektes mit UAP-Timisoara in der international bekannten und traditionsreichen Galerie Helios in Timisoara .

Die von Adriana Carcu kuratierte Ausstellung stieß auf großes Interesse beim Publikum und der Presse.  In mehreren Zeitungen wie "Ziua de vest" sind ausführliche Artikel erschienen. (s. Link)
https://www.ziuadevest.ro/scene-de-razboi-la-helios-timisoara/

Professor Gabriel Kelemen, Kunsthistoriker: "Die Künstlerinnen beleuchten in ihren Werken das Zeitgeschehen, bereichern damit die Malerei um eine Dimension.

Die großen, gestisch gemalten, überwiegend schwarz-weißen Bilder von Agnes Pschorn zum Thema Krieg und Flucht wirken auf den Betrachter wie ein Seelenschrei. 

Als Gegenpol dazu erscheinen die abstrahierten Landschaften von Liliana Geiss als ein Zufluchtsort, ein Raum der Euphorie und des Friedens."


 

Aktuelle Meldung vom 25.08.19                                 www.klassik-heute.de

Auszeichnung für Komponistin Barbara Heller

Die Darmstädter Komponistin und Pianistin Barbara Heller erhält in diesem Jahr den Darmstädter Musikpreis, der mit 5000 Euro dotiert und mit einem Preisträgerkonzert verbunden ist. Das Stipendium zum Musikpreis in Höhe von 2000 Euro erhält der junge Posaunist Ferdinand Hellberger. Die Musikpreisverleihung mit öffentlichem Konzert findet am Dienstag, 19. November 2019, um 19.00 Uhr, in der Centralstation (Saal 3. OG) statt. Die Laudatio auf die Musikpreisträgerin hält der Verleger Peter Mischung, Wolke Verlag, books on music, Bad Homburg.

Die Jury würdigt Barbara Heller für ihr Lebenswerk, das sich durch eine große künstlerische Offenheit, Vernetzung und nachhaltiges Engagement in vielfältigen Bereichen des Musiklebens wie Komposition, Musikpädagogik, Verbandstätigkeit, Musikforschung und -edition auszeichnet. 

Barbara Heller, 1936 in Ludwigsburg geboren, lebt seit 1963 als freiberufliche Komponistin und Pianistin in Darmstadt und im Odenwald. Schwerpunkte ihres Schaffens sind Kammermusik und Klavierliteratur, ganz besonders für den Unterricht. In ihrem umfangreichen Werkkatalog gibt es aber auch Filmmusiken, Tonbandkompositionen, Konzepte für Kollektivkompositionen sowie Klanginstallationen, die sie teilweise in Kooperation mit anderen Künstlern wie Nikolaus Heyduck oder Christopher Dell realisiert hat.

 


Portrait Dorothea Paschen in der RNZ vom 4.8.2019

Das Heidelberger Porträt

 

Immer neue Ideen zur Kultur in der Stadt

 

Dorothea Paschen vereint ungewöhnliche Voraussetzungen und Talente - Unternehmerfamilie, Schauspielerin, Grünen-Politikerin

Von Birgit Sommer

Heidelberg. Dorothea Paschen verkörpert eine ganz besondere Mischung von einer Heidelbergerin. Sie stammt aus einer Unternehmerfamilie und genoss eine anthroposophische Erziehung. Sie saß unter den ersten Grünen im Heidelberger Gemeinderat. Sie war in jungen Jahren Friedensaktivistin und kann heute noch kräftig auf den Tisch hauen, wenn ihr etwas in der Kommunalpolitik nicht gefällt. Sie klebte Anti-Atomkraft-Aufkleber in die Wohnung und auf ihr Fahrrad, während ihr Ehemann am Kernforschungszentrum Karlsruhe das Institut für Technikfolgenabschätzung leitete.

Dorothea Paschen arbeitete als Schauspielerin und Regisseurin und zog dabei drei Kinder groß. Sie managt heute als Vorsitzende die GEDOK, die Gemeinschaft der Künstlerinnen und Kunstförderer in Heidelberg. Sie golft und segelt. Und produziert immer neue Ideen in Sachen Kultur. Was für eine Frau!

Gerade 80 Jahre alt geworden, hat Dorothea Paschen nichts von ihrem Tatendrang eingebüßt. Mal die Tochter besuchen, die bei Rom lebt, oder den Sohn, HNO-Arzt in Berlin, mal mit den Freundinnen aus der Volksschule in Garmisch-Partenkirchen die Berge besteigen ("Ich habe Bergweh!"), mal in der Gesellschafterversammlung der Pforzheimer Firma Witzenmann Entscheidungen treffen. Das passt alles in ihren Terminkalender - genauso wie ihre Enkel.

Paschens Urgroßvater Heinrich Witzenmann hatte den beweglichen Metallschlauch erfunden und 1886 die Witzenmann GmbH in Pforzheim gegründet. Flexible Metallelemente stellt die Firma heute noch her und beschäftigt dazu 3000 Mitarbeiter im Hauptbetrieb und in 23 Tochterfirmen weltweit. Dorothea Paschen kennt das Geschäft, ihr Mann Herbert ist Aufsichtsratsvorsitzender, Sohn Philip, der Wirtschaftsingenieur, in der Geschäftsführung.

Eine spannende Unternehmerfamilie des 20. Jahrhunderts. Herbert Witzenmann, Dorotheas Vater, war nicht nur Firmenchef. Er war Schriftsteller, er war Anthroposoph und wollte ursprünglich Pianist werden. Doch nach dem Zweiten Weltkrieg musste er im zerstörten Pforzheim den Betrieb neu aufbauen. Weil auch das Haus der Witzenmanns in Trümmern lag, zog die junge Familie mit Sohn und drei Töchtern nach Garmisch-Partenkirchen, in das Ferienhaus der Großeltern.

Dort war, erinnert sich Dorothea Paschen, mit den vielen frisch angekommenen Flüchtlingen eine Menge los. Ihre Mutter, die österreichische Lyrikerin und Mezzosopranistin Maria Wozak, machte aus dem Esszimmer einen Salon. "Eine äußerst ärmliche Kulturgemeinde", lacht Paschen, "wo sich Leute trafen, die heimatlos waren."

Paschen wurde also in ein ganz außergewöhnliches Elternhaus hineingeboren. Sie zehrt davon und arbeitet sich manchmal auch daran ab. Daran, dass die Mutter der ältesten Tochter die Begabung als Sängerin absprach. Dabei hat "Doro", wie ihre Freunde sie nennen, immer wahnsinnig gerne gesungen, hat bei "Grünen"-Veranstaltungen etwa Brecht-Songs interpretiert, und hat das Lob eines Kritikers auch schriftlich vorliegen: "Glockenreine Stimme."

Als ihre Eltern sie nach Erlangen der Mittleren Reife in ein Heidelberger Mädchenpensionat steckten, hatte die 17-Jährige nach dem freien Leben in Garmisch und Pforzheim keine Lust auf diese Enge. Aus Trotz kämpfte sie darum, die private Schauspielschule Haller besuchen zu dürfen. Eine private Sprachschule schloss sich an - und da wirkte als Lehrer "ein hübscher junger VWL-Student", der bereits Diplom-Dolmetscher war. 1964 heiratete sie diesen Herbert Paschen.

Doch zuerst lebte Dorothea Paschen ihr Schauspielerleben, am Nationaltheater in Mannheim, bei den Freilichtspielen in Schwäbisch Hall, an den Komödienhäusern in Stuttgart und Düsseldorf, in Darmstadt und Karlsruhe. Ihre Lieblingsrolle? Die so unglücklich verliebte Christine in Arthur Schnitzlers "Liebelei".

Mit drei kleinen Kindern schaffte sie später noch Gastauftritte, auch am Heidelberger Theater und Orchester. Die Kinder und deren Au-Pair-Mädchen kamen manchmal mittags in die Theaterkantine. Oder die Mutter hatte morgens um 10 Uhr schon vorgekocht. "Frau Paschen, Sie sehen so verkocht aus", verspottete sie damals der Chef des Zimmertheaters, Gillis van Rappard.

Das Leben als Schauspieler fanden die Kinder dann wohl alle nicht so erstrebenswert, keiner eiferte der Künstlerin nach, die in den achtziger Jahren auch Regie führte ("Da habe ich total viel gelernt."). Nicht einmal der jüngste Sohn Philipp. "Er wäre sehr begabt", findet Dorothea Paschen.

Dann kam die Politik. Dorothea Paschen war damals "total friedensbewegt", und sich um die Umwelt zu kümmern, lag sowieso nahe bei ihrer anthroposophischen Erziehung. 1984 wurde sie Stadträtin der Grün-Alternativen Liste. Eigentlich kam sie ja aus einem ganz anderen Umfeld. "Die Kämpfe in der Fraktionssitzung - ich dachte, um Gottes willen, wo bin ich hier gelandet." Der Neuling musste lernen, bei Seilschaften mitzuziehen.

Für zehn Jahre zog Dorothea Paschen dann mit ihrem Mann nach Berlin. Das Büro für Technikfolgenabschätzung, das er leitete, wurde beim Bundestag angesiedelt. Ab 2009 saß sie noch einmal für fünf Jahre im Heidelberger Gemeinderat. "Mit großer Freude", wie sie bekennt. Dreimal wurde sie zur Fraktionsvorsitzenden gewählt, bereitete sich akribisch auf die Sitzungen vor. Sonntags kamen die dicken Pakete mit den Unterlagen. Mehrmals in der Woche war sie auf Terminen. Da Herbert Paschen nach den Worten seiner Frau ein "Workaholic" ist, ging das ganz gut. "Nur manchmal sagte mein Mann, es wäre ganz schön, wenn wir mal wieder was zusammen machen würden", erinnert sich Doro Paschen.

Sie spricht von Freundschaften, die über Parteigrenzen hinweg entstanden, von Vorurteilen, die über den Haufen geworfen wurden, von Alt-OB Zundel, der die Grünen wegen ihrer guten Gemeinderatsarbeit geschätzt, aber nicht gemocht habe. "Es hat Freude gemacht", ist ihr Fazit. Als Paschen ihr Stadtratsmandat 2014 aufgab, gewannen die Künstlerinnen der "GEDOK" sie als Vorsitzende. Mit einer Galerie in der Weststadt haben sie jetzt Räume für ihre Aktivitäten. Dorothea Paschen ist dabei. Ihre Liebe zur Groteske etwa lebte sie mit einem Dada-Abend aus. Im Herbst sind Veranstaltungen zum Fontane-Jahr geplant.

Auch ein privater künstlerischer Plan existiert: Zusammen mit ihren Geschwistern will sie der von den Eltern verfassten Lyrik einen neuen Auftritt verschaffen. "En famille", sozusagen. Das ist ganz einfach: Bruder Wolfgang Witzenmann ist Pianist, Flötist und Komponist, die Schwester aus New York malt, die zweite Schwester singt Chansons. Und Dorothea Paschen kann die Texte exzellent darstellen.

 

Interview mit Dorothea Paschen

im SWR Rundfunk 2019

https://www.swr.de/swr4/bw/programm/dorothea-paschen/-/id=258008/did=24570624/nid=258008/4cod2m/index.html


Elsbeth Lang mit einem ihrer bemalten Würfel in der Heidelberger GEDOK-Galerie. Foto: MR

RNZ 11.07.2019, 06:00 Uhr

Elsbeth Lang ist offen für jede Art der Assoziation

 

Elsbeth Lang stellt noch bis 20. Juli in der Heidelberger GEDOK-Galerie am Römerkreis aus - Die Zeichnung ist die Basis ihrer Malerei

Von Matthias Roth

Sie stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Eberbach und begann früh mit dem Zeichnen. "Es gab da nicht viel zu tun, und so zeichnete ich", sagt Elsbeth Lang im Gespräch. Das Zeichnen ist heute noch die Basis ihrer künstlerischen Arbeit. Derzeit stellt sie in der GEDOK-Galerie in der Heidelberger Weststadt aus.

Vom kleinen, ja winzigen Format (etwa Streichholzschachteln) bis zum großen Wandbild in Acryl, am Beginn steht meist eine Linie: "Ich kritzle oft vor mich hin, ohne dass ich vorher wüsste, was nachher dabei herauskommt." Dazu benutzt sie Tintenroller oder Tusche. Da sie sich sehr mit Aktmalerei und Porträts auseinandergesetzt hat, entstehen häufig figürliche Strukturen, Menschenmassen oder Menschenketten. Beim genaueren Hinsehen erkennt man plötzlich Gesichter, Füße oder einen gehobenen Arm, etwa bei den fünf schmalen Hochformaten, die zusammen eine Gruppe bilden.

Aber auch bei einer scheinbar völlig freien Arbeit wie "Das wahre Ich" (2019), bestehend aus zwei schmalen Hochformaten, glaubt man, bei längerem Hinsehen Figurenfragmente ausmachen zu können, sieht Augen, Brüste oder Hinterteile. Löst man sich von dem Bild, verschwinden die Eindrücke wieder.

Ein Spiel mit der Wahrnehmung, das Elsbeth Lang, die heute in Schriesheim lebt, auch bei Großformaten durchaus experimentell nutzt. Etwa in dem Diptychon "Monta" (2019), das an einen französischen Küstenort am Atlantik erinnert. Da ist das Grau der Felsen, das Blau des Meers, und man sieht eine Brücke oder Treppe. Darunter leuchten kräftige Farben hervor, die nun an die Ränder gedrängt erscheinen, übermalt und beinah versteckt. Doch über allem tanzt eine geschwungene, kraftvolle Linie, die letztlich fast alle Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Elsbeth Lang macht keine exakten Pläne, wenn sie ein Bild beginnt. Sie lässt intuitiv die Hand machen, was die Hand will; meist ist es die linke. "Ich war Linkshänderin, bin dann aber umerzogen worden. Heute kann ich beides, links und rechts zeichnen, aber links etwas unbeholfener als mit der anderen Hand. Das gefällt mir, das macht die Linie lebendig." Ihr Lehrer Hans Köhler habe stets gesagt: "Lebendig ist wichtiger als richtig", und das beherzigt sie bis heute. Auch von Pjotr Skroban und Patrick Marques erhielt sie Unterricht. Seit 1980 widmet sie sich intensiv der Kunst.

Wie sie darauf kam, Würfel zu bemalen? Sie sind etwa so groß wie ein Zauberwürfel oder ein moderner Lautsprecher und sind an fünf Seiten bemalt, wenn sie an der Wand hängen, und an sechs Seiten, wenn sie auf einem filigranen Stab wie eine Skulptur aufzustellen sind. "Ich weiß nicht mehr: Sie waren einfach da und warteten darauf, bemalt zu werden", antwortet sie. Ein Schreiner habe ihr geholfen, welche herzustellen, die sie mit Leinwand bespannen konnte.

Ihr Zeichnen und Malen geht hier in die Dreidimensionalität, ohne die Fläche zu verlassen. Die Linien gehen um die Ecken herum und verbinden die einzelnen Quadrate miteinander. Zahlreiche solcher Würfel liegen gestapelt im großen Schaufenster der Galerie: Sie fordern den Betrachter heraus, um die Ecke zu denken.

Elsbeth Langs Titel sind oft lapidar. Ihre Bilder mit Menschenketten oder Menschentrauben nennt sie einfach "Leute, Leute". Dass man dabei an die Flüchtlinge denken könnte, die 2015 in langen Märschen nach Bayern kamen, stört sie nicht, aber beim Zeichnen habe sie nicht daran gedacht. Sie mag ihren Bildern keine "Botschaft" mitgeben, sondern sie offen lassen für jede Art der Assoziation. Immer höre sie Musik beim Malen, Klassik oder Jazz. Das sei ihre Inspirationsquelle. Alles andere entstehe von selbst. Gehört nicht Mut dazu, das Seeleninnere einfach so aufs Papier strömen zu lassen? "O ja, viel!", sagt sie. "Manchmal komme ich mir bei einer Ausstellung vor, als wäre ich nackt."

Info: Elsbeth Lang in der GEDOK-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 22. Juli.

 

 

 


 Rhein-Neckar-Zeitung                              Von Heide Seele

 

Dichtung und Malerei verschmelzen

 

Birgit Sommer aus Mosbach zeigt Arbeiten zu Gedichten Rainer Maria Rilkes in der GEDOK-Galerie Heidelberg

 

Die Bildende Kunst mit Werken der Literatur in Einklang zu bringen, ist kein leichtes Unterfangen. Birgit Sommer ging das Risiko ein und konzipierte eine Ausstellung mit der Bezeichnung „Das ist mein Fenster ...“ Der Galeriebesucher sieht sich dabei mit einer Auswahl ihrer Grafiken, Zeichnungen und Objekte konfrontiert, die inspiriert wurden von Gedichten Rainer Maria Rilkes. An ihm scheiden sich die Geister seit Langem. Wo manch ein nüchterner Betrachter noch heute einen leicht in den Kitsch abgleitenden Autor wittert, schätzt der sensible Literaturfreund den feinfühlig empfindsamen Lyriker hoch ein.

So hat zum Beispiel sein von Sanftheit geprägtes Liebes-Lied „Wie soll ich meine Seele halten, dass sie nicht an deine rührt...“ schon viele Leser beeindruckt und zur weiteren Lektüre motiviert: Birgit Sommer, die Künstlerin aus Mosbach, beweist mit ihrer enigmatisch reduzierten Darstellung zu diesem berühmten Poem, wie gut sich die Malerei mit der Literatur kombinieren lässt und wie sensibel sie die Emotionen des Dichters nachzuvollziehen versteht. Dabei beschert sie einige neue Erkenntnisse – sei es nun bezüglich der Natur oder des Menschen.

Natürlich ist es beim Rundgang zu empfehlen, zuerst das jeweilige Gedicht zu lesen, bevor man die dazugehörende Darstellung anschaut. Die so entstehende Spannung animiert den Galeriegast zum Vergleich, zu Nachdenklichkeit und Konzentration, denn die feinen, oft rasterartigen Details der Objekte verdienen große Aufmerksamkeit.

Sie setzen Empfindungen in Kunstwerke um, und der Besucher sieht sich dazu aufgefordert, diese Transformation nachzuvollziehen. Die Dichtung und die Malerei scheinen zu einer Einheit zu verschmelzen, ein Phänomen, das manch ein Künstler vergeblich anstrebte. Da ist zum Beispiel das Bild zum Poem „Die Liebende“: In quadratischem Format glüht ein tiefes Rot – allerdings hinter einem gefängnisartig strukturierten Rechteck. Letzteres könnte auf die mit den tiefen Gefühlen möglicherweise einhergehende Einengung des Egos verweisen.

Von ganz anderer Art sind die „Engellieder“, bei denen Tropfen in prachtvollen Goldtönen herabfallen, und es ist zu erkennen, wie fasziniert die Malerin von der Magie der Farbe ist. Ihre Hommage an den einst berühmten, heute aber vergessenen Hans Carossa zeichnet sich dagegen durch eine unübersehbare Ambivalenz aus. Die in diesem Bild wie gestrickt erscheinenden Muster erwecken den Eindruck einer fast antiquierten Häuslichkeit.

Zur Vernissage hatte Dorothea Paschen begrüßt, die erste Vorsitzenden der Heidelberger GEDOK, bevor die Kunsthistorikerin Camilla Bonath-Voelkel auf profunde Weise in die Bilderschau einführte und damit manchem Anwesenden den Zugang zu den Exponaten erleichtert haben dürfte. Elsa Becke rezitierte dann einige Rilke-Gedichte, von denen die Künstlerin inspiriert wurde, darunter das erwähnte „Liebes-Lied“.

Info: Birgit Sommer, „Das ist mein Fenster“, in der GEDOK-Galerie Heidelberg Römerstraße 22, bis 15. Juni.

Geöffnet jeweils Mi. und Fr. von 17 bis 20 Uhr, Sa. von 11 bis 14 Uhr und nach Vereinbarung.

 

Birgit Sommers Hommage „Rainer Maria Rilke“ wird in der Heidelberger GEDOK-Galerie in der Römerstraße gezeigt. Die Ausstellung gehört zum Jubiläumsprogramm der Künstlerinnen-Vereinigung. Rechts ein Porträt des Schriftstellers Rainer Maria Rilke. Foto: F. Hentschel


90 Jahre Heidelberger GEDOK

"Eine kulturbildende Institution"

Die Heidelberger GEDOK beging den 90. Jahrestag ihrer Gründung mit Festakt und Konzert in der Stadtbücherei

https://www.rnz.de/kultur-tipps/kultur-regional_artikel,-90-jahre-heidelberger-gedok-eine-kulturbildende-institution-_arid,441138.html

20.05.2019, 06:00 Uhr Rhein-Neckar-Zeitung

Oberbürgermeister Eckart Würzner und GEDOK-Vorsitzende Dorothea Paschen in der Stadtbücherei. Im Hintergrund Arbeiten der Ausstellung "(k)eine runde Sache", die noch bis 23. Mai zu sehen ist. Foto: Alex

 

 

 

Von Matthias Roth

Heidelberg. Der Sektempfang zum Festakt "90 Jahre Heidelberger GEDOK" zog sich hin. Nicht nur, weil die zahlreichen Besucher viel miteinander zu bereden hatten, sondern auch, weil einige Festredner sich verspäteten: Als Oberbürgermeister Dr. Eckart Würzner als erster prominenter Redner schließlich eintraf, fasste die Vorsitzende der Heidelberger "Gemeinschaft für Künstlerinnen und Kunstförderer", Dorothea Paschen, den Entschluss, nach gut einer Stunde zumindest mit dem musikalischen Programm zu beginnen. Eine weise Tat, die dann auch das Festivalensemble der GEDOK mit einem Satz aus Mozarts Streichquintett KV 589 beherzt umsetzte.

Würzner nannte es denn auch "fantastisch, dass es 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ein solches Netzwerk" unter Frauen gibt, aber er fand es schade, dass man die Österreicherinnen mittlerweile "verloren" habe. Denn ursprünglich war die Vereinigung 1926 von der Dichter-Witwe Ida Dehmel für "deutsche und österreichische Künstlerinnen" gegründet worden. Die Musikerin Stephanie Pellissier griff die Idee wenige Jahre später in Heidelberg auf. Die rüstige Klavierlehrerin starb 1982 und ist manchem noch in lebhafter Erinnerung.

Der OB erinnerte sich daran, dass ihm seinerzeit der Erfolgsroman "Fräulein Smillas Gespür für Schnee" so besonders gut gefallen habe, da er die ganz andere Wahrnehmung von Frauen deutlich mache. Über die feinen Unterschiede des Schnees, so Würzner, "können eben nur Frauen schreiben". Das hatte doch überraschenden Neuigkeitswert mit Bezug auf den dänischen Autor Peter Høeg.

Die Vorsitzende des GEDOK-Bundesverbandes, Dr. Ursula Toyka-Fuong, hob hervor, dass die Widrigkeiten, gegen die Künstlerinnen immer zu kämpfen hatten, keineswegs obsolet wären. Besonders Frauen, die nach der Kinder-Pause wieder zurückkehren wollten in ihren alten Beruf, stünden vor großen Schwierigkeiten. Bis heute seien nur etwa halb so viele Frauen im Kunstbetrieb tätig wie Männer. Auch bei öffentlichen Ankäufen der Museen oder Aufführungen in Konzerten mache die Kunst von Frauen nur etwa 10 % aus. Daher sei das interdisziplinäre Zusammenwirken in Heidelberg besonders hervorzuheben: "Die Heidelberger GEDOK ist eine kulturbildende Institution", so Toyka-Fuong.

Ministerin Theresia Bauer schließlich, die später eintraf, lobte vor allem die ehrenamtliche Arbeit, die hinter der GEDOK stehe und sagte jede weitere Unterstützung zu. "Die Arbeit ist sehr wichtig für eine offene, demokratische Gesellschaft", so die Ministerin. Gerade in Zeiten, möchte man hinzufügen, in der namhafte Künstler wie Sebastian Henning Frauen "jegliche künstlerische Begabung" öffentlich absprechen und sich dabei auf Philosophen wie Frank Lisson beziehen, der die feste Meinung vertritt: "Kunst ist stets männlich". ("Die Zeit" vom 16. Mai 2019). Die GEDOK sollte diesem offenen Rechtsruck auch in der Kunstszene standhaft und selbstbewusst entgegentreten.

Das sich anschließende Musikprogramm begann allerdings mit Mozart und endete mit Schumann - Robert, nicht Clara. Zählt man die aufgeführten elf (teils mehrsätzigen) Stücke des Programms durch, so stammten sechs von Männern. Was soll man davon halten? Nadia Boulanger, Germaine Tailleferre, Katerina Pinosova, Olga Magidenko und Barbara Heller neben Lutoslawsi, Adolf Kern, Ulli Götte und den bereits Genannten: Ein Schlag auch ins Gesicht jener Komponistinnen, die alljährlich mit dem "Heidelberger Künstlerinnenpreis" geehrt werden. Es sind inzwischen 27 an der Zahl, darunter die namhaftesten der Gegenwart. Immerhin konnte die Uraufführung von drei kleinen Stücken für Blockflöten und Klavier von Katerina Pinosova realisiert werden, die eigens für diese Veranstaltung geschrieben wurden.

Im Foyer der Stadtbücherei konnte man unterdessen noch die Ausstellung der Netzwerkerinnen "(k)eine runde Sache" bewundern, zu der die Malerinnen Lisa Berger, Christel Fahrig-Holm, Katja Hess, Hyseung Hyun, Susanne Jung, Petra Lindenmeyer und Philine Maurus jeweils einige Stücke beitrugen. Unter den Malerinnen jedenfalls scheint der Zusammenhalt intensiver gepflegt zu werden als unter den Musikerinnen.


Koordiniert die Arbeit von rund 100 Künstlerinnen: Dorothea Paschen, Vorsitzende der Heidelberger GEDOK, in der Galerie der Künstlerinnenvereinigung an der Römerstraße vor einem großformatigen Gemälde von Inock Kim-Seifert
Koordiniert die Arbeit von rund 100 Künstlerinnen: Dorothea Paschen, Vorsitzende der Heidelberger GEDOK, in der Galerie der Künstlerinnenvereinigung an der Römerstraße vor einem großformatigen Gemälde von Inock Kim-Seifert

RNZ vom 12.4.2019      90 Jahre Gedok Heidelberg

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"Man kann nie genug tun für die Kulturförderung"

Die GEDOK Heidelberg wurde vor 90 Jahren gegründet - Gespräch mit der Vorsitzenden Dorothea Paschen über das Jubiläum

Von Volker Oesterreich

Heidelberg. 1926 von der Kunstförderin Ida Dehmel gegründet, gilt die GEDOK als ältestes und größtes Netzwerk von Künstlerinnen der Sparten Bildende Kunst, Angewandte Kunst, Musik, Literatur und Darstellende Kunst. Die fünf Buchstaben der Organisation stehen für die "Gemeinschaft Deutscher und Oesterreichischer Künstlervereine aller Kunstgattungen". Europaweit hat sie rund 3000 Mitglieder, ca. 100 davon gehören zu der vor 90 Jahren gegründeten GEDOK Heidelberg. Den Anstoß zum Regionalverband gab die Musikerin Stephanie Pellissier. Das Jubiläum der GEDOK Heidelberg wird mit einer Reihe von Veranstaltungen gewürdigt. Vorsitzende des Regionalverbandes ist die Schauspielerin und ehemalige Kommunalpolitikerin Dorothea Paschen. Im Gespräch mit der RNZ skizziert sie die Arbeitsschwerpunkte.

Frau Paschen, können Sie erkennen, ob ein Kunstwerk von einer Frau oder von einem Mann stammt? Oder anders gefragt: Gibt es spezifisch weibliche Schreib-, Mal- oder Spielweisen?

Bei der Bildenden Kunst kann ich das nicht feststellen, und ich denke, das geht allen so. Bei der Literatur ist es vielleicht etwas anders, wobei Romane, Gedichte, Erzählungen oder Stücke aus so vielen Perspektiven und mit so unterschiedlichen Intentionen geschrieben werden, dass auch in diesem Bereich nicht immer auf den ersten Blick klar ist, ob die Texte von Frauen oder Männern geschrieben wurden.

HINTERGRUND

Ausstellungen von Schwetzingen bis nach Bad Rappenau geplant
Als nächste Ausstellung zeigt die GEDOK Heidelberg vom 13. April bis zum 10. Mai das Schmuckprojekt "Louvrette" von Silke Prottung in Zusammenarbeit mit 20 KünstlerInnen aus aller Welt. Liliana Geiss (zweite GEDOK -Vorsitzende) und Yvonne Weber sprechen morgen bei der Vernissage um 19 Uhr in

Die MeToo-Debatte hat große Teile der Kulturszene erfasst. Spüren Sie das auch in der GEDOKHeidelberg?
Eher nicht. Wir sind natürlich offen für alle Debatten. Und wenn wir von einem Missbrauchsfall im direkten Umkreis hören würden, wären wir sofort solidarisch. Aber bisher ist uns kein solcher Fall bekannt, zum Glück!

Was tut die GEDOKfür ihre Mitglieder? Und umgekehrt: Was tun die Mitglieder für die GEDOK?
Wir sind eine gemeinnützige Organisation und verstehen uns als "Netzwerkerinnen". Unter diesem Motto steht auch das Jubiläumsprogramm. Es geht darum, dass alle Sparten zueinanderfinden und voneinander profitieren, etwa wenn gemeinsam Performances, Aufführungen, musikalische Darbietungen oder Ausstellungen erarbeitet werden. Wir helfen uns auch gegenseitig beim Hängen der Bilder oder bei der Aufsicht während der Öffnungszeiten unserer Galerie an der Römerstraße. Wir haben ja drei Mal pro Woche geöffnet.

Unter welchen Bedingungen kann man/frau Mitglied werden?
Man muss einen Aufnahmeantrag stellen. In der Bildenden Kunst werden pro Jahr ein bis drei Künstlerinnen aufgenommen. Derzeit stehen aber etwa 20 auf der Warteliste. Eine Jury entscheidet über die Aufnahme, und wir achten darauf, dass auch externe Experten beteiligt werden. Entscheidend ist, wie gearbeitet wird, ob schon ausgestellt wurde, ob Kritiken vorliegen. Bei Schriftstellerinnen fragen wir nach bereits erschienenen Texten. Bei Musikerinnen ist beispielsweise eine CD hilfreich.

Gibt es ein Kuratorium für die Auswahl von Lesungen oder Exponaten?
Ja, auch darüber wird beraten. Von den Neumitgliedern gibt es zunächst Gruppenausstellungen, später wird über Einzelausstellungen gesprochen. Einzelausstellungen laufen bei uns sechs Wochen.

Besonderheit der GEDOK Heidelberg ist die eigene Galerie an der Römerstraße 22. Diese Möglichkeit hat nicht jeder Regionalverband - oder?
Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir die Galerie mieten können, bezahlt wird die Miete von Mitgliedsbeiträgen. Vorher hatte hier die Künstlerin Marina Volkova ihr Atelier, und als sie den Raum nicht mehr nutzen wollte, konnten wir den Vermieter von unserem Galerie-Konzept überzeugen. Wir haben alles selbst renoviert, alles auf ehrenamtlicher Basis.

Tut Heidelberg genug für die zeitgenössische Kunst?
Man kann ja nie genug tun für die Kulturförderung. Heidelberg hat Kulturrichtlinien entwickelt, und das funktioniert ziemlich gut. Natürlich wäre es schön, wenn es städtische Räume in deutlich größerem Rahmen für die Präsentation zeitgenössischer Kunst gäbe. Für unsere Veranstaltungen gibt uns die Stadt einen jährlichen Zuschuss.

Hat sich die Situation für GEDOK-Schriftstellerinnen durch die Aufnahme der Literaturstadt Heidelberg ins Unesco-Netzwerk kreativer Metropolen verbessert?
Netzwerkarbeit ist immer sinnvoll: innerhalb der GEDOK, aber natürlich auch auf der internationalen Ebene der Literaturstädte. Auf diese Weise haben Schriftstellerinnen die Möglichkeit, besser bekannt zu werden.

Und hier vor Ort?
Wir sind froh, dass wir den Hilde-Domin-Saal der Stadtbücherei zwei Mal pro Jahr für größere Veranstaltungen nutzen können, sind aber
weiter auf der Suche nach Kooperationsmöglichkeiten.

Info: www.gedok-heidelberg.de

 

 


Internationale Wochen gegen Rassismus

Dienstag, den 19.3.2019 19 Uhr, GEDOK Galerie

„Fremd bin ich eingezogen“

Lesung mit Adriana Carcu, Gerhild Michel, Sonja Viola Senghaus, Marion Tauschwitz

Musikalische Begleitung Ute Schleich, Flöte

 

 

Schon immer gab es Fremde in den Völkern und schon immer fühlten sich Völker von ihnen bedroht.

Im 19. Jahrhundert war es die zunehmende Industrialisierung und der Fortschritt, der die Menschen aus ihrer vertrauten Umgebung verdrängte.

 Die Romantiker suchten nach Möglichkeiten, dieser Welt im Geiste zu entfliehen. Die Freiheit der schöpferischen Phantasie und die subjektive Gefühlswelt des Individuums wurden zum Ausgangspunkt ihrer Dichtung. Als Beleg zitierte Gerhild Michel Gedichte von Eichendorff,  Brentano und Heine, alle mit dem Titel „In der Fremde“.

Die in Rumänien geborene Autorin Adriana Carcu las ein Fragment aus der von Shakespeare vor 500 Jahren geschriebenen Rede gegen die Fremdenfeindlichkeit und eine eigene Geschichte über einen Fremden, der einen Monat in ihrem Haus gelebt hatte. Sie definierte das Ereignis mit den Worten: „Es ist ein beruhigendes Gefühl, einen Abend mit Leuten zu verbringen, die wissen, dass wir fast überall Fremde sind und nur Freundlichkeit die Welt retten kann.”

Sonja Viola Senghaus las eigene Gedichte aus ihren Lyrikbänden „Licht-Flügel-Schatten und Sprachruder“. Aus „Ungefähr ohne Tod im Schatten der Bäume“ von Christoph Meckel und „wo ich jetzt bin“ von Helga M. Novak stellte sie deren Texte über ihre Situation vor, in einem geteilten Land zu leben.

Das Musikstück „Raindance“ mit Blockflöte und Stimme von der Komponisten Nicola Termöhlen unterstrich hier die Zerrissenheit dieser Gefühle.

      

Den Abend beendete Marion Tauschwitz. Sie spürte alten Fragen nach:        Brauchen wir Fremde? Und überlässt König Stephan von Ungarn die Antwort: „Ein Land mit nur einer Sprache und einer Sitte ist schwach und gebrechlich. Darum ehre die Fremden und hole sie ins Land.“

Der Bogen zum Hier und Jetzt mit Texten über Flucht, Traumata und Ankommen war schnell geschlagen. Das Phänomen ist nicht neu, doch verlangt stetigen Einsatz und unsere Worte des Erinnerns. Ute Schleich setzte mit sorgfältig ausgewählten Musikstücken musikalische Kontrapunkte und schaffte gelungene Übergänge zu den Textbeiträgen der Literatinnen. Wieder ein rundum geglückter eindrucksvoller Abend.

   G.M.

 


 

12.03.2019, 06:00 Uhr RNZ 

REZENSION der Ausstellung von Inock Kim-Seifert

 

Foto :   Inock Kim-Seifert vor ihrem Großformat (Ausschnitt) "Details der Welt und Kulturgeschichte", das um 2012 entstand. Foto: Matthias Roth

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Von Matthias Roth

 

Heidelberg. In der 5. Klasse lernte sie Klavierspielen, in der 6. mit Tusche zu zeichnen. Damit galt sie im Süd-Korea der 1970er Jahren als privilegiert: Denn das Land war nach dem Korea-Krieg bitterarm, "ärmer als der Norden", so Inock Kim-Seifert im Gespräch, der ihre Heimatstadt Chun Cheon in der Nähe von Seoul mit politischen Flugblättern attackierte. Später machte sie sich auf nach Sydney, um Grafik zu studieren, und sie verbrachte prägende Jahre in China und Malaysia. Das Schicksal führte sie bei einer Bergwanderung mit einem Deutschen zusammen, mit dem sie zwei Jahre später nach Deutschland ging: Heute lebt die Künstlerin in Hirschberg an der Bergstraße.

Ihre Bilder signiert sie kurz mit "Inock", wie jetzt in der Heidelberger Gedok-Galerie am Römerkreis zu sehen ist. Der Name bezieht sich auf den Jade-Stein. Fotografie und Malerei sind Inock Kim-Seiferts Hauptbetätigungsfelder, das eine bedingt zum Teil das andere.

"Freie Abstraktion mache ich eher zur Entspannung, in der Pause zwischen anderen Arbeiten", sagt sie ganz offen. An diesen "anderen Arbeiten" aber feilt sie sehr lange. Ihr Hauptwerk, ein Diptychon von insgesamt drei mal zwei Metern mit dem Titel "Details der Welt und Kulturgeschichte" entstand um das Jahr 2012. Es scheint eine Momentaufnahme, eine Collage aus tagesaktuellen Ereignissen - und doch ist es in der Zwischenzeit nicht unaktuell geworden. Eher - und leider! - im Gegenteil.

Die religiösen Konflikte haben noch zugenommen, die Gewalt ist fast zur Alltäglichkeit geworden: Im Zentrum des Bildes sieht man tanzende Derwische und buddhistische Mönche sowie einen Schamanen, dahinter eine "Demonstration" jemenitischer Frauen, die für das Recht eintreten, ihre Töchter schon unter 17 Jahren verheiraten, das heißt: verkaufen zu dürfen. Links sitzen Lady Gaga und eine Bettlerin vor der "Bild"-Kampagne "Wir sind Papst", während ein Kind im Eiswasser "getauft" wird. Man findet auf diesem Großformat auch 9/11, eine fliegende Kuh und die untergehende Titanic (zwei Filmzitate) oder eine Frau, die von Polizisten misshandelt wird: Der Wahnsinn dieser Welt wird hier zur Ikonografie unserer Gegenwart. Dass Hieronymus Bosch Inock Kim-Seifert am meisten beeinflusste, wundert nicht.

Jahrgang 1961, ist Kim-Seifert eine eminent politische Künstlerin, das zeigen auch andere Arbeiten in dieser Ausstellung. Etwa die "Geschenke des Kaisers", eine Collage, die sich auf die Versklavung von Frauen für den japanischen Kaiser im Zweiten Weltkrieg ("Trostfrauen") bezieht. Ihre Bildmotive findet Kim-Seifert in Zeitungen und anderen Medien. Mit Acrylfarben bannt sie sie tagebuchartig auf die Leinwand, wo sie uns daran erinnern: Das sind wir, das ist unsere Welt und unsere Gegenwart. Wenn wir sie ändern wollen, müssen wir jetzt damit beginnen.

 

Info: Gedok-Galerie Heidelberg, Römerstraße 22, bis 6. April.

https://www.rnz.de/kultur-tipps/kultur-regional_artikel,-galerie-gedok-inock-kim-seifert-stellt-in-heidelberg-aus-_arid,426063.html?fbclid=IwAR1heP0nEm8GLG2WAql-dkSbZH9BAhcenvIpx0JjysOZJVuCRkuZD-Kk-Ms